Lassen wir einen Betroffenen aus dem Collegium Josephinum sprechen:
„Collegium Josephinum Bonn, 1960 bis 1969. Der Ort meiner Jugend, meiner Kindheit, der Ort meiner Prägung, der Ort meiner Pubertät, der Ort meiner Sehnsüchte. Eingesperrt in einem grässlichen Ziegelsteinbau, der selber wieder umgeben war von tristen Ziegelsteinmauern, hoch genug, damit wir sie nicht überwinden konnten. Wie gerne stand ich am geschlossenen Metalltor, durch das man – immerhin - nach draußen schauen konnte. Manchmal stand es auch einfach offen, weil jemand vergessen hatte, es zu schließen. Manchmal kamen von außen Gesolai- Bewohner zum Fußballspielen. Die Welt zu Besuch im Ziegelsteinbau, manchmal kam die Welt auch zu Besuch in Form eines Bischofs oder eines Missionars.
Später wurde der Ziegelsteinbau der Schule und dann auch des Internates weiß verputzt. Das sah freundlicher aus- wie weltoffen, in der Sonne leuchtend. Innen blieb das Gericht dessen, der zum Richten geboren war. Pater S. Er rechtete jeden Tag und unter der schwarzen Kluft stank er nach Hochmut, Zigaretten, Sperma und wundgeriebenem Penis.
Dieses fromme Internat existiert heute nicht mehr, ist abgewickelt schon in den 80ern. Es ist für das, was mir vom Leben blieb, größtenteils verantwortlich. Seine Aufgabe war: Anpassung um jeden Preis, Einordnung in die Regeln der Kirche, Unterordnung unter die Regeln des Ordens zu erzwingen. Der Preis war die völlige Selbstaufgabe. Einige waren tatsächlich bereit, ihn zu zahlen und auch in den Orden einzutreten. Ich nicht.“
Seit 1983 ist das Collegium Josephinum eine angesehene katholische Privatschule- ohne Internat.
Unterschiedlicher und symbolträchtiger kann die Lage von Internatsschulen nicht sein. Die eine liegt vor den „Toren der Stadt“, da wo noch viel früher der Galgen stand und bis in die 70er Jahre mehr oder weniger nur die Zigeuner lagerten. Das Gebäude und die Ländereien des Internats dienten ursprünglich als Aussätzigen- Hospiz der Entsorgung der Leprakranken der Stadt, dann als Waisenhaus und Heim für Schwererziehbare. Das Gebäude, 1920 von den Redemptoristen übernommen und als Internatsschule ausgebaut, noch in den 60ern ein roher und dunkler Ziegelsteinbau. Das umgebende Gelände ärmlich und schlicht. Einen einzigen Bolzplatz auf gewachsenem steinigem Boden gab es wohl, der den Schülern des CoJoBo als Sportplatz und Pausenhof, den Internatszöglingen auch als Freizeitgelände herhalten musste. Ein kleiner Park diente den Internen, auch Juvenisten genannt, zur kontemplativen Bewegung. Kein Spielgerät außer zwei grob gezimmerten Fußballtoren.
Die andere Internatsschule, neu erbaut im selben Jahr wie auch das Josephinum entstand, liegt auf einer lichten Höhe im Viertel der Diplomaten und der Reichen der Großregion Bonn. Dazu gehörten auf einem weitläufigen Gelände schon bald eine herrschaftliche Villa und ein schickes Jägerhäuschen. Es gab und gibt Sportplätze, Tennisplätze gar. Was auch sonst? Wenn man so will: Schule aus der Oberstadt und Schule aus der Unterstadt.
Wenn wir auf die Unterschiede der Schulen abheben, gilt das zumindest für die Ausgangslage Anfang der 60er Jahre mit der Tendenz, dass sich die Schulen im Laufe der Jahre zunehmend angleichen.
Zurück zu den tieferliegenden Unterschieden: Divergenter können auch Orden nicht sein, die kleine und eher in sich abgeschlossene Gemeinschaft der Redemptoristen mit eigener Ordenskleidung, die sich ursprünglich vor allem um die Bedürftigen kümmert und sich dann der innerkirchlichen Gemeindemission verschreibt, mitgliederstark in Deutschland erst nach dem Krieg durch den Zufluss vieler heimatvertriebener Ordensleute aus dem Osten. Heute in Deutschland fast zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft.
Die Jesuiten dagegen der größte Orden überhaupt, die Mitglieder ohne besondere Ordenskleidung, nach außen auf die Welt gerichtet, in der Mehrzahl weltgewandt und von herausragender Bildung. Als Orden allseits bekannt und von Politik und Medien geschätzt. Auch heute noch öffnet der Nimbus „Jesuitenschüler“ Türen in die bessere Gesellschaft.
Unterschiedlicher können Schüler eben auch nicht sein: im Collegium Josephinum eher die Kinder einfacher Leute, gut katholisch und aus der Bauernschaft des Saarlandes, des Hunsrücks und aus Westfalen, auch aus der Arbeiterschaft des Ruhrgebiets- jedenfalls solange das dazugehörende Internat noch bestand (bis 1983). Kinder, denen anders weiterführende Schulbildung und ein gesellschaftlicher Aufstieg gar nicht möglich war. Nicht selten übernahm in den 5oer und 60er Jahren der örtliche Pastor die Kosten fürs Internat. Ab den 50er Jahren öffnet sich die reine Internatsschule widerstrebend externen Schülern, um der Internatsschule ein Überleben zu sichern, bevor sie sich ab 1983 ausschließlich für externe Schüler als Katholische Privatschule in der Trägerschaft der Redemptoristen definiert. Im Aloisiuskolleg eher die Kinder wohlhabender Bürger, die ihre Kinder wohl versorgt und bestens gebildet sehen wollen, die vor allem schon immer wissen, was sie ihren Kindern und ihrer gesellschaftlichen Stellung schuldig sind.
Das Aloisiuskolleg eine Eliteschule, so allgemein benannt, weil sie eben eine Schule für die Elite der Gesellschaft ist. Das Collegium Josephinum wird eher fälschlich so bezeichnet und unternimmt schon immer besondere Anstrengungen, um einen ähnlichen Status zu erreichen. Reichlich Eigenlob hilft hier zusätzlich.
Unterschiedlicher können auch Internatszöglinge nicht sein: im Collegium Josephinum darf Internatsschüler nur sein, wer auch bereit ist, Priester und Ordensmann zu werden. Bis 1965 werden Internatsschüler, die das nicht mehr zusagen können oder die man nicht für würdig hält, noch kurz vor dem Abitur gnadenlos aus dem Internat und der Schule geworfen. Das Internat und die Schule kosten in den 50er Jahren bei voller Kost, Logis und Schulbildung nur 60,-DM, bis 1965 gerade mal 90,00 DM monatlich. Im Aloisiuskolleg finden Kinder Aufnahme zu deutlich höheren Monatspreisen. Deren Eltern versprechen sich vom Internat beste Unterbringung, christliche Erziehung und gute Schulbildung. Die Jesuitenschule, vom Orden gedacht als Schule für die höheren Söhne mit dem Ziel, den Einfluss der Mächtigen zu Gunsten der Kirche zu nutzen, weil die höheren Häuser für das Abnehmen der lästigen und zeitaufwendigen Erziehungsarbeit eben eine Gegenleistung schuldeten. Die Redemptoristenschule eher als Schule für die niederen Söhne mit dem Ziel, einen der Söhne von weltlichen Einflüssen fernzuhalten und wenn schon nicht das Einkommen dann wenigstens doch das Ansehen der Familie durch einen Priestersohn zu steigern.
Unterschiedlicher können die Konzeptionen kaum sein: im Collegium Josephinum gelten für das Internat noch bis in die 70er Jahre die strengen Ordensregeln des Hl. Alfons von Liguori, eingedampft auf den Gebrauch des Kindes (Juvenistenregeln), rigoros durchgesetzt um den wilden kindlichen Impulsen begegnen zu können. Jesuitische Erziehung dagegen eher Welt- und Lebensbejahend. Schule ruft zum Lernen und Erforschen aller Lebensbereiche auf. Der Internatsschüler im Bonner Norden- er kennt die Welt kaum und soll sie wohl auch nicht kennenlernen.
Das Internat der Redemptoristen wird geführt wie ein kleines Kloster, abgeschirmt von den Eltern, abwehrbereit gegen die böse feindliche Welt, Ausgang der Zöglinge eingeschränkt und kontrolliert für 3 Stunden am Sonntag, wenn kein Verbot oder Gottesdienst dem entgegensteht, täglicher Gottesdienst ist verpflichtend, am Sonntag auch ein zweiter für die, die nicht zur Kirche gehen. Die Internatserziehung ähnelt in allem mehr der deutschen Heimerziehung mit dem Ziel der totalen Selbstaufgabe denn dem, was der Kästnerleser mit einem Internat verbindet. Umgekehrt das Aloisiuskolleg mit vielerlei Beschäftigungsmöglichkeiten im Inneren und mit Zugang zur Hochkultur, die draußen spielte. Die religiöse Einbindung der Zöglinge deutlich reduziert. Es ist nicht wichtig, ob der Zögling nun Priester wird oder nicht. Er ist an jeder Stelle der Gesellschaft wichtig, weil er durch innere Disziplinierung Einordnung und durch gute Bildung Agitation gelernt hat- ein Internat, das als Lebensraum eher an ein besseres Ferienheim für höhere Söhne erinnert.
Das Collegium Josephinum ist bis zur Auflösung als Internatsschule 1983, mindestens aber als Juvenat bis 1965 am besten zu verstehen als Kaderschmiede für den eigenen Ordensnachwuchs. Für das Collegium Josephinum gilt, dass man angesichts widrigen „modernistischen“ Zeitgeistes die Welt draußen in Form der Aufnahme externer Schüler und weltlicher Lehrer nur widerwillig zulässt. Der Orden will so das eigene Überleben und seinen Nachwuchs sichern. Als das immer seltener und nur noch in Einzelfällen gelingt, gibt er das Internat schließlich ganz auf. Die Jesuiten betreiben die ihre noch heute.
Um nicht falsch verstanden zu werden: das Aloisiuskolleg ist gewiss nicht weniger Kaderschmiede, aber nicht in erster Linie zur Sicherung des Ordensnachwuchses sondern im Sinne der Sicherung christlichen und jesuitischen Einflusses auf die Welt draußen durch herausragend gebildete Individuen. Für das Aloisiuskolleg gilt, dass man die Welt und den Zeitgeist ins Haus holen will, um sie im jesuitischen Sinne zu formen. Der Orden sichert in der Folge die Schule, nicht umgekehrt die Schule den Orden. Für das Collegium Josephinum dagegen gilt, dass man die Welt und den Zeitgeist von der Schule fernhalten will.
Der Unterschied zwischen diesen Schulen ist so groß, dass ihre Schüler und ihre Lehrer jemals nie etwas miteinander zu tun hatten. Dass es diese Schule gibt, davon hatte man als Schüler des CoJoBo in den 60er Jahren irgendwie gehört. Aber mehr auch nicht. Wenn ein anderes Gymnasium Erwähnung fand, dann eher das städtische Beethovengymnasium. Warum auch sollte man das Aloisiuskolleg erwähnen bei diesen Unterschieden? Gleiches wird wohl auch für das Aloisiuskolleg gelten.
Der Unterschiede wären noch viele aufzuzählen und gar erst zu entdecken. Vielleicht ist hier gar wissenschaftliches Interesse zu wecken. Unseres Wissens gibt es erst 2012 einen so engen Kontakt, dass tatsächlich einer der Lehrer des Collegium Josephinums, Herr Sieburg Konrektor am Aloisiuskolleg wird. Ansonsten war die Sicht von unten nach oben und von oben nach unten, vom Rand zum heiligen Berg mindestens vernebelt oder ganz verstellt. Auch die Misshandlungs- und Missbrauchsopfer finden übrigens erst Ende 2013 durch den Nebel und nehmen erstmals persönlichen Kontakt miteinander auf.
Was die Gemeinsamkeiten anbetrifft, da sehen wir neben vielen Nebensächlichkeiten, die gemeinsam sind, vor allem diese zwei Gelegenheitsstrukturen:
· Das Katholische und die geheiligte priesterliche Macht (Mertes), repräsentiert in den Präfekten und in der Schul- und Internatsleitung
· Die institutionalisierte Missachtung von Kindern und institutionalisierte Gewalt, auch sexuelle. (Zinsmeister und Merzbach)
Nun mag tatsächlich ein solcher Blick vom Rand zum Berg wie reine Spielerei wirken, aber in Wirklichkeit haben die Unterschiede und die jeweilige Besonderheit des Gemeinsamen, des Katholischen doch enorme Auswirkungen auf das, was Gewalt und Missbrauch bei den Opfern angerichtet haben und auf das, wie unterschiedlich die beiden Orden heute die Verbrechen für sich aufarbeiten.
Was bedeutet es für ein Verbrechensopfer, wenn die Tat sozusagen semi-öffentlich geschieht, weil die Nacktfotos der begehrten Jünglinge gar im Treppenhaus aufgehängt sind und jeder wissen könnte, wenn er wollte? Wie erlebt und verarbeitet das Opfer die Tatsache, dass da niemand ist, der es zu schützen bereit ist, obwohl die Übergriffigkeit sichtbar und mit Händen und Augen zu greifen ist? Umgekehrt: was bedeutet es für die Opfer des Collegium Josephinum, dass die Taten (zumindest der sexuelle Missbrauch) sich ganz und gar verborgen vollzogen haben, sozusagen im Dunkelraum? Was bedeutet Selbstaufgabe im Aloisiuskolleg? Was bedeutet Selbstaufopferung in einem geschlossenen religiösen System wie im Collegium Josephinum? Was sind die unterschiedlichen Folgen bis heute?
Wir, die Opfer des Collegium Josephinum, haben noch heute ein gewaltiges Problem damit, dass wir dem Täter keinen Widerstand entgegen gesetzt haben, dass er uns willenlos gemacht hat, dass er für uns gleichsam Gott wurde. Aber wir haben in der Regel überhaupt kein Problem damit, dass unsere Eltern uns nicht in Schutz genommen haben. Wie sollten sie denn? Der Täter verbarg die Taten in Tateinheit mit uns so vollständig, dass sie schließlich aus allen Wolken fielen, als wir später davon berichteten. Das scheint im Aloisiuskolleg anders zu sein. Die Eltern hätten wissen können und haben wohl zumindest in Teilen gewusst.
Wie sieht die Kopfkorrektur aus im Collegium Josephinum? Wie im Aloisiuskolleg? Im Redemptoristeninternat für die armen und niederen Stände macht sich der Kleine noch kleiner durch Selbstaufgabe, Selbstopferung und Selbstanklage. Wie macht das der Junge aus den besseren Schichten? Lässt er „es“ mit sich machen vielleicht aus Größenwahn? Sind gar die Privilegien so groß und so bestechend? Ach ja, die Privilegien gab es am Collegium auch wie überall, wo Missbrauch ist. Ein Privileg war z. B., außer der Reihe Messdiener sein zu dürfen. Welch verrücktes Privileg! Aber es half dem Täter.
Was bedeutet der Unterschied zwischen den beiden Schulen, dass der mögliche Ordensnachwuchs bei den Jesuiten immer nur ein willkommenes Beiprodukt gewesen ist, im Collegium Josephinum aber zum Zeitpunkt des größten Missbrauchs noch das alleinige Zielprodukt, dem alles andere untergeordnet ist? Ein Ziel, für das jedes Mittel recht? Ein Unterschied, der kaum aufgearbeitet und begriffen ist.
Wie viele zerstörte Biografien mag es gekostet haben, dass junge Männer noch kurz vor dem Abitur von Internat und Schule geworfen wurden, wenn sie sich nicht mehr sicher waren, Priester werden zu wollen. Was hat die Angst vor der Entdeckung der Lüge mit denen gemacht, die nur noch vorspiegelten, das Priesteramt anzustreben.
Missbrauch ist nur möglich, wenn er Rechtfertigung findet. Wie unterschiedlich waren die Rechtfertigungssysteme? Dass sie unterschiedlich waren, ist augenscheinlich. Was rühren die Rechtfertigungen hier an, was dort? Vom Collegium Josephinum sind anders als im Aloisiuskolleg offensichtlich nur wenige Betroffene bereit sich zu melden, noch weniger sind zur Aufarbeitung bereit. Womit hängt das zusammen? Mit der Selbstaufgabe, mit der Totalität des Machtanspruchs? Mehr Fragen als Antworten.
Undenkbar eine solche Bildergalerie am Collegium Josephinum oder nackt duschen, ein Aufschrei des Entsetzens und der Abscheu hätte es gegeben. Aber zur selben Zeit findet auch hier täglich mehrfacher Missbrauch statt- in Godesberg fast öffentlich, im Bonner Norden heimlich und verborgen.
Bei den Betroffenen aus dem Aloisiuskolleg- so unser subjektiver Eindruck- ist der Missbrauch untereinander schon länger Thema, teils sicher auch kryptisch verborgen. In dem anderen Internat, dem Collegium Josephinum ist es selbst heute kaum Thema unter denen, die davon durchaus wissen oder sogar betroffen sind. Das Tabu tut hier noch immer seine Wirkung.
Ein Beispiel dazu: Aus den 5oer Jahren wird von einem Opfer von der mehrfachen brutalen analen Vergewaltigung als 11 Jähriger glaubhaft berichtet. Einer seiner Klassenkameraden, selber Priester, versichert, der betreffende Präfekt sei zwar manchmal unangemessen streng gewesen, aber Missbrauch sei ihm unvorstellbar. Das gleiche Opfer sagt, schlimmer als der Missbrauch seien Willkür und tägliche Gewalt des Priesters gewesen, der Klassenkamerad findet, der Pater sei schon manchmal streng gewesen, aber gerecht usw. Der Betroffene erzählt diese Geschichte 2011 als 74 Jähriger zum ersten Mal seiner geliebten Ehefrau, mit der er über 50 Jahre zusammenlebt. Sein Gedächtnis ist übrigens so gut, dass er noch jeden Choral auswendig singen konnte und er war noch immer so verstrickt mit der Person des Präfekten, dass er gar nicht anders konnte, als ihn ständig zu imitieren in Gestus, Mimik und Sprache. Für uns Zuhörer kaum auszuhalten. Im Opfer erschien uns der Täter so plastisch, dass niemand von uns diese Person bis heute vergessen konnte. Und als er es seiner Frau endlich erzählt hatte und auch dem Missbrauchsbeauftragten des Ordens und uns den anderen Opfern, fällt er in Depression und beginnt zu trinken. Ein Jahr später stirbt er nach einem schweren Sturz. Wie hängt das alles mit den besonderen Umständen am Collegium Josephinum zusammen?
Wie sind die Biografien im Aloisiuskolleg? Und was sagt uns das zur Prävention? Material für wissenschaftliche Aufarbeitung ohne Ende. Würde es helfen? wir denken schon. Ja.
Und die Aufarbeitung hier und die Aufarbeitung dort? Da sei einfach mal eine wilde These in den Raum geworfen: ist die Aufarbeitung bei den Redemptoristen so klein und unscheinbar wie der Orden selbst? Ist er bei ihnen so wenig invasiv, was die Beteiligung der Ordensmitglieder angeht, weil es hier für die Gemeinschaft günstiger ist, möglichst schnell zu vergessen? Ist die Aufarbeitung umgekehrt bei den Jesuiten so verhältnismäßig breit angelegt, öffentlich und auch die Mitglieder des Ordens mehr beteiligend, ist sie nur deshalb so groß, weil man das große Renommee wieder erlangen will, um die Großen nicht zu verlieren?
Könnte man sagen, Missbrauchsopfer bei den Jesuiten schädigen das Renommee der Schule und stellen das Konzept ihrer schulischen Bildung in Frage, lassen den Orden aber weitgehend mangelfrei erscheinen? Schädigen Missbrauchsopfer bei den kleinen Redemptoristen den Orden selbst in seiner Substanz und ist die innere Abwehr, sich mit den Ursachen auseinander zu setzen, deshalb ungleich höher als nebenan?
2010 beginnt der Aufarbeitungsprozess bei den Jesuiten durch die Meldung der Betroffenen am Canisiuskolleg in Berlin und den mutigen Satz von Pater Mertes: „Wir glauben euch.“ Bei den Redemptoristen dauert es zwei Monate länger, bis auch hier der Aufarbeitungsprozess beginnt. Der Prozess wird nach unserer Beurteilung vor allem von einem getragen: dem damaligen Missbrauchsbeauftragten des Ordens. Und der war ein Glücksfall, weil er zufällig und gleichzeitig Vorsitzender Richter des Amtsgerichts Leverkusen gewesen ist. Das Glück bestand darin, dass es auf Ordensseite niemand der Verantwortungsträger erwog, den Inhalt der Aufklärungsarbeit in Zweifel zu ziehen und niemand es wagte, ihn der Parteilichkeit zu verdächtigen. Ihm wurden unseres Wissens alle Archive geöffnet.
Allerdings war der Aufarbeitungs- und Wiedergutmachungsprozess immer in Gefahr, jäh zu scheitern und sich zu beenden. Weshalb? Weil weder die Kirche noch die Gesellschaft oder gar die Politik willens waren, die notwendigen Schritte im Prozess der Aufarbeitung festzulegen noch eine Entschädigungsregelung gesetzlich festzulegen.
Auch das eine der Gemeinsamkeiten der Aufarbeitung an beiden Schulen: die Gelingensbedingungen der Aufarbeitung bleiben trotz Aufarbeitungskommission beim UBSKM weitgehend abhängig von Zufällen und von Einzelpersonen. Das nach 7 Jahren Missbrauchsskandal.
Solidarität unter den von Gewalt und Missbrauch Betroffenen ist seit 2010 selbstverständlich.