Der Orden hat bisher 4 Zwischenberichte zur Aufklärung von Gewalt, vor allem sexueller Gewalt in seinem Verantwortungsbereich herausgegeben. Es gilt zu beachten, dass in diesen beichten nur über Fälle berichtet wird, zu denen Meldungen von Betroffenen vorliegen, die ihrerseits ihr Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben haben. Es gibt weitere Fälle von Gewalt, die nicht in diesen Berichten erfasst sind.
Der 4. Zwischenbericht des Missbrauchsbeauftragten der Redemptoristen zu Vorfällen sexueller Gewalt weist eine Besonderheit auf: ursprünglich war der Bericht schon im Januar erschienen, wurde aber vom Orden wegen juristischer Probleme bzw. einer angedrohten Unterlassungsklage gegen den Missbrauchsbeauftragten (!) und den Verein MoJoRed e.V. (!) vom Orden noch einmal zurückgezogen und überarbeitet.
Die juristischen Auseinandersetzungen über einen Vorfall der Grenzverletzung in den 90er Jahren und die schließliche Rücknahme der Berichterstattung darüber machen deutlich, wie notwendig es ist, sowohl Standards und gesetzliche Regelungen für die Obleute bzw. Missbrauchsbeauftragten zu entwickeln wie auch Standards und gesetzliche Regelungen für die Berichterstattung bzw. Aufarbeitung. Es geht nicht an, dass Missbrauchsbeauftragte oder gar Opfer und Opfervereine so leicht durch Abmahnungen juristisch eingeschüchtert werden können wie das im vorliegenden Fall offensichtlich gelungen ist. Der Gesetzgeber ist hier gefragt.
Bemerkenswert am vorliegenden Bericht scheinen uns folgende zwei Punkte:
Hier der 4. Bericht als PDF- Datei:
Ausschnitt:
Gegen Pater L. lagen Herrn Merzbach noch keine Meldungen eines Opfers vor. Inzwischen ist ein relevanter Vorfall von sexuellem Missbrauch durch Pater L. aktenkundig geworden. Damit hat sich die Ausgangslage der Bewertung vieler Meldungen zu seiner Person über insgesamt ca. 30 Jahre geändert.
Pater L. war als „Zauber-Pater“ bekannt und bis zum Ende seines Lebens in der Arbeit mit Minderjährigen aktiv....
In mehreren Beschwerden über ihn wurde vermerkt, dass er in finanziellen Angelegenheiten dem Orden gegenüber unzuverlässig sei, in der Beichte um Spenden an den Orden gebeten hätte; öfters wird berichtet, er habe bedürftige
Familien unterstützt. Zugleich wird erwähnt, dass er aus bedürftigeren Familien Jungen mitnahm, mit denen er längere Ausflüge (offensichtlich auch über Nacht) in Absprache mit den Eltern und „ohne Wissen“ des Ortsgeistlichen vornahm. Es gab mehrfach solche Meldungen, doch wurden an keiner Stelle ausdrücklich sexuelle Verfehlungen erwähnt.
Hier die Berichte 1 bis 3:
Ausschnitt:
Ort und Zeit dieser Gespräche wurden mit den Opfern abgestimmt und im Wesentlichen an einem von ihnen bestimmten Ort durchgeführt. Ihre Schilderungen konnten ohne Bedenken als glaubhaft qualifiziert werden. Der Unterzeichner hat die geschilderten Fakten in Form eines Gedächtnisprotokolls gesichert und dann von den Gesprächspartnern ergänzen und korrigieren lassen. So war größtmögliche Authenzität sichergestellt. Nicht nur die Faktenlage wurde gesichert, sondern auch die Vorstellungen und Wünsche der Opfer, wie sich die Verantwortlichen des Ordens heute gegenüber den Verbrechen der Täter von damals verhalten sollten....
Ausschnitt:
Diejenigen, welche Missbrauchserfahrungen machen mussten, haben diese mit den damit verbundenen Gefühlen von Ausweglosigkeit, Verzweiflung und emotionaler Dichte glaubhaft vermittelt. An ihrer Glaubwürdigkeit bestanden nie[W1] ernsthafte Zweifel, so dass sich dieser Bericht auf die Schilderungen bedenkenlos stützen konnte. Hinzu kam, dass die Darstellungen aus dem noch vertraulich geführten Erstgespräch innerhalb von zwischenzeitlich begonnenen direkten Gruppengesprächen Betroffener mit dem Orden vertieft, und so nochmals untermauert wurden. Die Glaubhaftigkeit der betroffenen Opfer wird nicht durch die Rückmeldungen anderer ehemaliger Schüler in Abrede gestellt, die von einem Missbrauchsgeschehen nichts gehört, nichts bemerkt hatten, oder selbst nicht betroffen waren. Das kann die detaillierten Schilderungen der direkt Betroffenen und das beschriebene Leid keineswegs relativieren....
Hier ist der kurze 3. Zwischenbericht von Dr. Michaela Schumacher abrufbar:
Die vorliegenden Berichte klären auf über einzelne Geschehen. Was bisher aus unterschiedlichen Gründen noch nicht gelungen ist, ist eine Aufarbeitung des Geschehenen. "Aufarbeitung soll aufdecken, in welcher Kultur sexueller Missbrauch in einer Institution stattgefunden hat, welche Strukturen unter Umständen mit dazu beigetragen haben, dass Täter und Täterinnen Kindern und Jugendlichen Gewalt angetan haben, wer davon gewusst hat, aber sie nicht oder spät unterbunden hat. Sie soll sichtbar machen, ob es unter den Verantwortlichen in den Institutionen zu dem Zeitpunkt des Missbrauchs eine Haltung gab, die Gewalt begünstigt und Kinder und Jugendliche abgewertet hat, und sie will klären, ob und wenn ja warum sexueller Missbrauch in einer Einrichtung vertuscht, verdrängt, verschwiegen wurde. ...
Durch öffentliche Berichterstattung und Empfehlungen kommt Aufarbeitung zu einem Ergebnis, an das für Prävention angeknüpft werden kann." (Rechte und Pflichten: Aufarbeitungsprozesse in Institutionen, Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung Sexuellen Kindesmissbrauchs, Berlin 2019, S. 8)
Wir als Betroffene drängen entschieden auf eine umfassende Aufarbeitung. Im Orden selbst gibt es - wie wir hören - mittlerweile ebenfalls zahlreiche Stimmen, die eine umfassende Aufarbeitung wünschen.
Verschiedene Abschnitte unserer Homepage (Ich bin nicht verjährt, Wegsehen und klerikale Ungerührtheit) sind ein erster Versuch des Vereins mit seinen bescheidenen Mitteln, nicht nur über sexuelle Gewalt aufzuklären sondern diese in größere Zusammenhänge zu stellen.