Artikel ist frei zugänglich. Spende erwünscht, aber nicht zwingend.
15.08.2019 Kinokultur und frühe Einbindung in die Erhöhung dessen, der zum Priester berufen ist (Erinnerung aus dem Internat der 60er Jahre)
Ein Mitschüler machte neulich in einem Gespräch zu den Voraussetzungen für Gewalt und Missbrauch im Internat darauf aufmerksam, wie weitgehend die
Einhegung der „Zöglinge“ im Internat auch kulturell begleitet wurde: durch die strenge Auswahl und Kontrolle der Bücher, der Bilder, der Filme. Und wie sehr diese Einbindung eine der
Vorausssetzungen dafür geschaffen hat, dass Kinder und Jugendliche sowohl exzessive Gewalt wie auch sexuellen Missbrauch scheinbar klaglos erduldeten. Als besonderes Beispiel führte er die
regelmäßigen Filmsonntage an, hier besonders einen Film von 1954 , der es sogar nach Berlin auf die Filmfestspiele (bronzener Bär) geschafft hat und Anfang der 60er Jahre überdies in das
monatliche Filmangebot des Internats: „Der Abtrünnige.“ Kurzform: Ein Priester hat den Glauben verloren und ist in maßlosem Stolz zum erbitterten Feind der Kirche
geworden. Erst der tragische Totschlag eines befreundeten Seminaristen bewegt ihn zur Umkehr. Ein aufwühlender Film über die "Unverlierbarkeit des katholischen Priestertums".
In den 50er- Jahren heftig diskutiert, in der Titelrolle hervorragend gestaltet.
Ein Film, der mittlerweile mit allem Recht der Welt gänzlich vergessen ist, der hier aber als Beispiel gelten mag für ein ganz und gar verzerrtes
Bild geheiligter Macht in priesterlicher Selbsterhöhung und auch ein gutes Beispiel dafür darstellt, wie Gehirnwäsche einerseits abstruseste Problemkonstellationen (die kirchenrechtlichen
Voraussetzungen zur Gültigkeit von Sakramenten) als überlebensnotwendig erscheinen lässt und wie sehr ideologische Einbindung und/oder Manipulation das gelebte Leben schädigen und nicht
ausgelöscht werden können. Wer noch einmal eintauchen möchte in das katholische Milieu der 50er Jahre oder erfahren möchte, wie problematisch die Erhöhung des Priesteramtes als geheiligtes
Amt und wie wenig zeitgemäß heute das Zölibat des Priesters ist, der besorge sich eine Filmkopie, wenn er denn noch ein altes 16mm- Vorführgerät besitzt oder lese das zum Film geschriebene
Buch, das antiquarisch durchaus noch zu bekommen ist. Näheres zum Film und seiner Wirkung finden Sie am Schluss des Kapitels „Ich bin nicht verjährt- Orte der Erinnerung“.
Hier zur Einstimmung das französische Originalplakat:
Endlich ist der Abschlussbericht der Bundesregierung zu den Fonds Heimerziehung veröffentlicht und downloadbar.
Der Bericht ist für uns auch deshalb so interessant, weil das Internat der Redemptoristen eher weniger mit der üblichen, leicht romantischen Vorstellung des Internatslebens zu tun hat. Diese
Internate in Bonn, Bous, Gronau und anderswo glichen eher den sog. Erziehungsheimen.
31.07.2019 Ordensschwester über Missbrauchstäter: "Nicht verdammen".
In der ARD- Dokumentation "Meine Täter, die Priester" kommt auch Ordensschwester Karoline Mayer zu Wort. Die Ordensschwester wird in Chile und auch in Deutschland als Helferin der Armen
verehrt. Sie pflegt Kontakt zum Missbrauchstäter Peter R. (Canisiuskolleg Berlin und Bistum Hildesheim und Chile). Sie sagt: "Also ich werd nicht jemanden verlassen, weil er einmal
ein Unrecht getan hat..." Kürzlich war sie auf Deutschlandbesuch. Der Deutschlandfunk hat nachgefragt.
Wenn wir den Film noch einmal sehen, ruft die
Ordensschwester mit ihren Interviews unseren ganzen Zorn hervor. Denn uns erscheint das, wie die Ordensschwester spricht, nicht ein Vorbild dafür zu sein, wie man mit schuldig gewordenen
Menschen als einfacher Erdenbürger oder auch als Ordensschwester in der besonderen Nachfolge Christi umgehen sollte, sondern eher als ein Beispiel falsch verstandener Christlichkeit. Ein
Kommentar von Hans- Jakob Weinz zum obigen Artikel des Deutschlandfunks pointiert, was wir empfinden: "Ich habe mir den Film gerade angeguckt. Mir wird übel, wenn ich sehe, wie
diese Schwester redet und agiert. Das ist eine Live- Aufführung des kirchlichen Vertuschungs-/Verharmlosungsmusters. Das Gebot der Barmherzigkeit wird hier missbraucht (!), um
Schuld zu verharmlosen." (Hervorhebung von uns) Jemanden decken, auch wenn man weiß, dass er Täter ist, jemanden nicht verlassen, auch wenn er Täter ist und jemanden
entschulden, indem man die Taten kleinredet, das sind dann doch sehr verschiedene Schuh.
Die Dokumentation hieß: "Meine Täter, meine Priester".
Bilden Sie sich selbst Ihr Urteil.
29.07.2019 Zur Erinnerung finden: der überragende Roman zum Missbrauch von Anselm Neft: "Die bessere Geschichte" als eine "Poetik der Einfühlsamkeit"
Wie spricht man über sexuellen Missbrauch an Kindern, wie erzählt man gar davon? Eine Frage, die wir uns stellen, seitdem wir diese Website betreiben. Wir glauben, Anselm Neft hat einen Weg
gefunden, die allgemeine gesellschaftlich dominante "Schweigeroutine" in Bezug auf dieses Thema zu durchbrechen, überhaupt dieses Thema auch fiktional erzählbar zu machen. "Sein
Roman setzt sprachlich holprig ein. Mit Sätzen, denen das Wesentliche seltsam aus dem Fokus zu entrinnen scheint, die ungelenk wirken, hölzern, verunglückt. Aber dieser Eindruck legt sich im
Verlaufe des Erzählens, und im Rückblick wird klar, dass diese Sätze Teil von Nefts Poetik der Einfühlsamkeit sind." Es ist eine Art des stolpernden Erzählens und Berichtens, eine
Art der zögerlichen Selbst- und Fremdreflektion, die Opfern sexuellen Missbrauchs vertraut ist. Sie spiegelt die eigentliche Unmöglichkeit, als Opfer von der eigenen Ohnmacht und von der
zermürbenden Scham kongruent und zusammenhängend, sozusagen fließend zu erzählen. Es braucht offensichtlich einen empathischen, zuhörenden Zeugen Anselm Neft (selber "nur" Zeitzeuge, aber
kein Opfer), um das "hölzerne" Erzählen in manchmal zusammenhanglosen Bruchstücken aufgeben zu können, die Geschichte eines Missbrauchs in einen "spannenden" Erzählfluss zu bringen und
gleichzeitig in die innere Dynamik von Opfer und Täter einzudringen wie kaum einer zuvor.
Die Frage der Fragen in dieser Dynamik: Wie kann das Opfer geschehen lassen, was geschieht? Was ist sein Anteil an der Verstrickung? Warum spricht das Opfer nicht und verlängert damit das an
ihm verübte Verbrechen? Was in der Verstrickung ist der Gewinn des Opfers? Warum schweigen kindliche und jugendliche Opfer manchmal 20,30,40 Jahre lang? Fragen und mögliche Antworten, die
weitgehend mit einem Tabu belegt sind. Um von der sog. Öffentlichkeit als Opfer anerkannt oder respektiert werden zu können, braucht es möglicherweise eine vorgestellte scheinbare
Hilflosigkeit, die total ist. Das Opfer hilflos mit vor Angst geweitetem Blick in den Fängen des Verbrechers. Die Realität ist komplexer: das Opfer ist tatsächlich hilflos und verstrickt sich
doch mit eigenen Anteilen auf fatale Weise mit dem Täter. Der Bereich der eigenen Entscheidungen scheint eingeengt bis zur Selbstaufgabe. Das Opfer versucht der Hilflosigkeit zu entgehen,
indem es sich der Macht annähert, versucht, so zumindest teilmächtig zu werden. Der Missbrauch wird gar Teil eines jugendlichen Auszugs aus der völligen Ohnmacht und somit Teil einer "ver-
rückten" Selbstermächtigung (wie groß sie dann auch immer ist). Davon zu erzählen, ohne die Verantwortung des Täters für das Verbrechen auch nur im Ansatz zu schmälern, ist das Verdienst von
Anselm Neft. Für die Tat bleibt alleine der Täter verantwortlich.
Danke Anselm Neft.
Die Rezension der FAZ bringt das wie keine andere bisher auf den Punkt:
Lesenswert der Roman allemal, aber auch diese Schlüsselrezension.
25.07.2019 Erzdiözese Freiburg will Missbrauchsopfer unterstützen. Durchbruch in der Debatte um die Entschädigung von Opfern oder Coup der Kirche, um Entschädigungszahlungen auf
niedrigstem Niveau zu halten?
Das Erzbistum legt in der Entschädigungsfrage von Missbrauchsopfern der katholischen Kirche plötzlich ein hohes Tempo vor und stellt eine sog. Opferrente vor:
Die Aktion des Erzbistums wirkt auf den ersten Blick positiv und wird in der Presse- Öffentlichkeit anscheinend auch so bewertet. Endlich tut sich etwas und den Opfern, die besonders
beschädigt wurden, wird endlich Hilfe zuteil. Auf den zweiten Blick folgt die Aktion einem allzu bekannten Muster, das auch Funktionäre anderer für Missbrauchskriminalität verantwortliche
Institutionen genutzt haben und nutzen- seien es die evangelische Kirche, der Sport, Internate. Nach außen der Öffentlichkeit vermitteln, als sei man zur Entschädigung bereit und im Innern
alles daran setzen, dass möglichst Wenige in den Genuss einer möglichst geringen Entschädigung kommen. Als bestes Beispiel mag hier vor allem die seinerzeitige Farce um die Entschädigung der
Heimkinder am "Runden Tisch Heimerziehung" gelten.
Uns scheint es kein Zufall zu sein, dass das Erzbistum Freiburg gerade zu diesem Zeitpunkt eine sog. Opferrente einrichtet. Genau zu dem Zeitpunkt, als die Deutsche Bischofskonferenz
Arbeitsgruppen(unter Beteiligung von Betroffenen) eingerichtet hat, die Vorschläge für mögliche Entschädigungszahlungen entwickeln sollen. Das Vorpreschen von Freiburg erinnert sehr an das
Vorpreschen von Bischof Ackermann mit seinem Vorschlag der sog. Leidanerkennungsprämie, als der "Runde Tisch Missbrauch" 2011 gerade begann, die Entschädigungsfrage zu diskutieren. Mit der
Kirche war dann ein entscheidender "Player" aus der Diskussion raus, die danach auch nicht mehr konsequent zu Ende geführt wurde. Gleichzeitig wurde in der Öffentlichkeit damals der Eindruck
erweckt: "Wir tun was und das sofort". Der Inhalt aber war: "Wir können es billiger als jeder Vorschlag, der in der Runde des "Runden Tisches" diskutiert wird". Das Ergebnis waren die
bekannten 5000,00€ als Anerkennung des Leids.
Jetzt prescht Erzbischof Burger vor mit dem Vorschlag der Opferrente für die "Bedürftigen" unter den Opfern und torpediert damit die Arbeit der eingerichteten Arbeitsgruppen, die bisher
unterschiedliche Modelle der Entschädigung diskutieren. Wenn die Presse und damit die Öffentlichkeit den auf den ersten Blick großzügig und opferbezogen erscheinenden Vorschlag des Bistums
goutiert, dann - so die mögliche Spekulation - erübrigt sich weitere Diskussion. Dass ein solcher Vorschlag die Opfer in entschädigungswürdige und entschädigungsunwürdige Opfer spaltet, ist
möglicherweise ein erwünschter Nebeneffekt.
Mit diesem Hinweis sei nicht gesagt, dass der Freiburger Vorschlag nicht auch Teil der Lösung einer befriedenden Entschädigung sein könnte. Der Vorschlag zu diesem Zeitpunkt riecht aber eher
nach einem neuen Coup, der nichts anderes soll, als hohe Entschädigungszahlungen zu verhindern.
Eine nachhaltige Unterstützung der Opfer wäre gegeben, wenn man klar unterscheiden würde zwischen Hilfe zum Überleben und Entschädigung, wenn man die Arbeitsgruppen, an denen auch Betroffene
teilnehmen, befördern würde und wenn das Erzbistum Freiburg sich dafür einsetzen würde, dass die Missbrauchsopfer durchgängig Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten. Denn auch
im zur Zeit diskutierten Entwurf zu einem neuen OEG ist gerade die Hilfe für Missbrauchsopfer nicht "opferbezogen" geregelt. Um Leistungen nach dem OEG zu erhalten, ist eigentlich immer ein
Gerichtsurteil Voraussetzung. Das ist bei institutionellem und vor allem familiären Missbrauch oft durch die konkreten Umstände nicht gegeben. Tatsächlich wird darüberhinaus immer ein
gutachterlicher schwer zu führender Nachweis darüber verlangt, dass die beklagten Folgen der verurteilten Tat auch ihr direkter Ausfluss sind.
Wenn das Bistum bis zur neuen gesetzlichen Regelung und bis zur praktischen Umsetzung im Einzelfall in entsprechende Vorleistung gehen würde, wäre vielen "bedürftigen" Opfern tatsächlich
geholfen.
Hier entsprechende Texte zum Vorschlag, die auf der Website des Erzbistums zu finden sind:
24.07.2019 Missbrauchsbetroffener des Aloisiuskollegs in Bonn berichtet bewegend über seine Geschichte, die persönlichen Folgen und die Versäumnisse des Jesuitenordens.
Dem Bericht des Bonner Generalanzeigers ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht das: das Ako im Herzen von Bad Godesberg war und ist ein anderes Internat und eine andere Schule als das
Collegium Josephinum am Rand der Stadt Bonn (Siehe den entsprechenden Unterabschnitt dieser Website). So verschieden beide Institutionen in ihrem Ausgang sind, so gleichen sie
sich doch in den Strukturen und den daraus erwachsenden Folgen der "Unheiligen Macht". Beide Internate sind mittlerweile geschlossen. Die Schicksale der Betroffenen von Gewalt und Missbrauch
hier wie da unterscheiden sich kaum.
Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf, selbst Priester, hat mit seinem neuen Buch zum Zölibat eine vielstimmige Debatte ausgelöst. Wir zitieren hier einige Links- und zwar wie immer pro und
contra. Wir verweisen auch gerne auf den lesenswerten Roman von Wolf zum Missbrauch in einem vatikanischen Kloster, der auf der Auswertung von "erschreckenden" Geheimakten des Vatikans beruht
("Die Nonnen von Sant'Ambrogio: eine wahre Geschichte"). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass wir selbst den Zölibat nicht als Ursache für sexuellen Missbrauch von
Kindern identifizieren, wir aber dezidiert der Meinung sind, dass diese spezielle Lebensform ein Risikofaktor sein kann.
Hier die 16 Thesen von Wolf in Kurzform:
1. DAS TABU IST GEFALLEN
Priestermangel und Missbrauchsvorwürfe zwingen den Vatikan, über den Zölibat zu reden.
2. DIE SCHWIEGERMUTTER DES PETRUS
Der Zölibat lässt sich biblisch nicht begründen, denn im Neuen Testament gibt es selbstverständlich verheiratete Bischöfe, Priester und Diakone.
3. ZÖLIBAT IST NICHT GLEICH ZÖLIBAT
Es wurde zu verschiedenen Zeiten nicht nur ganz Unterschiedliches darunter verstanden, die Vorschriften mussten immer wieder erneuert, modifiziert und gegen große Widerstände durchgesetzt
werden.
4. VORCHRISTLICHE URSPRÜNGE
Die Vorstellung von der kultischen Reinheit des Priesters stammt aus der jüdischen und heidnischen Antike und ist nicht mehr zeitgemäß.
5. JESUS WAR KEIN STOIKER
Das Ideal des asketischen Priesters geht auf antike Vorstellungen von einem philosophischen Leben zurück und entspricht nicht dem Vorbild Jesu.
6. ÖKONOMISCHE WURZELN
Die Ehelosigkeit stellte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit sicher, dass Geistliche die ihnen unterstellten Kirchengüter nicht an ihre Kinder vererben konnten.
7. FLAGGE ZEIGEN IM GLAUBENSSTREIT
Der Zölibat diente im konfessionellen Zeitalter zur Abgrenzung von den Protestanten.
8. AUCH PRIESTER HABEN MENSCHENRECHTE
Die Kritik am Zölibat als Verstoß gegen die Natur radikalisierte die Zölibatsbefürworter seit der Aufklärung.
9. SPRUNG IN ANDERE SPHÄREN
Weil andere Begründungen nicht mehr zogen, überhöhte Paul VI. den Zölibat spirituell.
10. ES GEHT AUCH OHNE ZÖLIBAT
In den katholischen Ostkirchen gibt es selbstverständlich verheiratete katholische Priester.
11. IMMER MEHR AUSNAHMEN
Zum Katholizismus konvertierte verheiratete evangelische und anglikanische Pfarrer empfangen mit päpstlicher Dispens die Priesterweihe.
12. NEUES ZUR SEXUALITÄT
Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gilt die Ehe als Abbild des Bundes zwischen Christus und seiner Kirche und kann kein Hindernisgrund für den priesterlichen Dienst sein.
13. KEIN DOGMA
Die Lehre der katholischen Kirche ermöglicht jederzeit die Aufhebung des Zölibats.
14. GEFÄHRLICHES VERSPRECHEN
Die verpflichtende Ehelosigkeit ist ein Risikofaktor im Hinblick auf den sexuellen Missbrauch durch Priester.
15. GÜTERABWÄGUNG
Vor die Wahl gestellt, dem Priestermangel abzuhelfen oder den Zölibat beizubehalten, muss sich die Kirche im Interesse der heilsnotwendigen Eucharistie gegen den nicht heilsnotwendigen
Zölibat entscheiden.
16. DAS ALTE SYSTEM IST AM ENDE
Die Abschaffung des Zölibats als Instrument des Machterhalts muss Teil einer grundlegenden Reform des hierarchisch klerikalen Systems sein.
Auffällig die unlautere Argumention einiger Diskutanten, vor allem die des Kölner Pfarrers Thillainathan, der jeden Zusammenhang des Zölibats mit dem Missbrauch von Kindern grundsätzlich
verneint.Die wissenschaftlichen Fakten, die die MHG- Studie und der australische Untersuchungsbericht aufzeigt, werden vollständig ignoriert bzw. falsch dargestellt. Ein rhetorischer Trick
allererster Güte. Dass der Zölibat der Hauptfaktor für sexuellen Kindesmissbrauch ist, sagen weder Herr Wolf noch die Studien. Aber der Pfarrer behauptet, dass sie genau dies behaupten.
Dieses gar nicht vorgelegte Argument wird dann als zentrale Aussage pointiert und in der Folge widerlegt (Missbrauch ist kein kirchliches sondern ein gesellschaftliches Problem). Es ist
beschämend, dass jemand der für Priester zuständig ist, aufgrund einer bewusst falsch wiedergegebenen Beweislage das Ergebnis einer nach wissenschaftlichen Kriterien durchaus fundierten
Studie zu widerlegen meint. Beschämend auch, weil dieser Pfarrer wie alle Priester in ihrer Ausbildung das Fach Rhetorik eingehend studiert (allein um schon den unlauteren Argumenten von
Kirchen- Gegnern nicht gleich ins Messer zu laufen) haben. Der Pfarrer weiß also, was er da tut und welchen Trick er unredlich nutzt. Die Argumente des Bischofs (Dienst am Evangelium)
sind da übrigens ehrlicher und glaubensbezogener, wenn wir ihnen auch nicht folgen mögen.
Noch einmal das Ergebnis der Studien: der Zölibat ist laut MHG- Studie ein Risikofaktor in Kombination mit dem, was man katholische Sexualmoral nennt. Nichts mehr, aber
auch nichts weniger.
23.07.2019 Synopse der Leitlinien 2013/2019 der Deutschen Bischofskonferenz zum Sexuellen Missbrauch
Im Folgenden finden sie die entsprechende Synopse, die uns vom Missbrauchsbeauftragten des Ordens zur Verfügung gestellt wurde. Wir ersparen uns eine eingehende Analyse, verweisen aber gerne
darauf, dass die geringen Änderungen wesentliche Punkte betreffen, die von Betroffenen oft kritisiert wurden. Unseres Erachtens wesentlich: es heißt nun nicht mehr Leitlinien (an die man sich
halten mag oder nicht), sondern es heißt "Ordnung" und betont damit die Verbindlichkeit.
23.07.2019 Weiterführung des Fonds Sexueller Missbrauch- Was läuft gut- Was ist zu verbessern?
Am 1. Mai 2019 jährte sich zum sechsten Mal der Tag, an dem der Fonds Sexueller Missbrauch vom Bund eingerichtet worden ist. Der Betroffenenbeirat beim FSM begrüßt die Entscheidung des
Kabinetts, den FSM weiter zu finanzieren sehr. Das Ergänzende Hilfesystem für Missbrauchsopfer hat sich in den vergangenen Jahren entwickelt, es wurde überarbeitet, das Personal der
Geschäftsstelle aufgestockt. Die daran Beteiligten engagieren sich sehr, damit die mehr als 12 000 inzwischen eingegangenen Anträge bearbeitet werden können und Verfahrensabläufe, soweit als
Vorgaben und Konzeption es zulassen, beschleunigt werden. Unter folgendem Download finden sie die Stellungnahme des Beirats.
20.07.2019 Argumente für ein Nennen von Klarnamen kirchlicher Missbrauchstäter, auch wenn sie bereits verstorben und damit meist nicht strafrechtlich belangt worden sind
Herr Ponsens hat als Geschäftsführer von MoJoRed auf Nachfrage seine Argumente für ein Nennen von Klarnamen in der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen zusammengestellt. Die Argumente sind nur
gültig, wenn ein hinreichend geprüfter Verdacht vorliegt, wenn der Täter oder die Täterin strafrechtlich nicht mehr belangt werden kann, weil er verstorben ist.
19.07.2019 Nach der Aufklärung von Gewalt und Missbrauch im vorigen Jahr jetzt der Beginn der Aufarbeitung: Die Regensburger Domspatzen
Sehr sehr spät haben die Verantwortlichen in Regensburg vor zwei Jahren begonnen, den Missbrauch und die Gewalt bei den Domspatzen aufzuklären (Rechtsanwalt Weber). Jetzt erscheinen zwei
Studien: eine sozialwissenschaftlich orientiert, die andere kriminologisch. Das lange Hinauszögern wird sozusagen verständlich, wenn man nun das abschließende Urteil über die Rolle des
Papstbruders Georg Ratzinger im Internat in Regensburg liest.
12.07.2019 Ehemaliges Heimkind - "Nur einmal in ihre Augen blicken" (Artikel der Süddeutschen)
Artikel-Empfehlung aus der Süddeutschen Zeitung:
Ehemaliges Heimkind - "Nur einmal in ihre Augen blicken"
Richard Sucker wurde im Kinderheim so schwer
misshandelt, dass er sterben wollte. Er überlebt und sucht nach seiner Familie. Ohne Erfolg. Bis er 2011 einen Brief erhält.
03.07.2019 Neue Bertelsmann- Studie: Kindern fehlt vor allem Eines: Sicherheit
Um einen "gesellschaftlichen" Überblick über die Entwicklungen von Kindern und Jugendlichen zu bekommen, empfiehlt sich immer wieder die regelmäßig erscheinenden Studien der Bertelsmann-
Stiftung. Was in der neuesten Studie bewegt: 25% der Kinder fehlt vor allem das Gefühl von Sicherheit in der Schule. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie wichtig gelebte Schutzkonzepte
in Schulen sind, hier wäre er. Aber viele Schulen wollen da gar nicht genauer hinschauen. Sie behaupten, bei uns sind die Kinder sicher, weil wir es sind, die diese Schule machen. Von Eltern
wird diese Selbstdarstellung allzu gerne geglaubt. Gewissheit gibt einzig eine sauber durchgeführte Evaluation unter den Schülern selbst. Aber wer wagt das schon. Das Collegium Josephinum in
Bonn unseres Wissens bisher jedenfalls nicht.
02.07.2019 Neue Formulare bei Beantragungen von finanziellen Hilfen bei Missbrauch
Seit heute gibt es neue und aus unserer Sicht bessere Formulare für die Beantragung finanzieller Hilfen für Opfer sexueller Gewalt in der Familie. Für die institutionellen Opfer hat sich
nichts geändert.
01.07.2019 Lesenswertes Interview mit dem Leiter der sog. MHG- Studie. Leichte Frustration über die "zurückhalttende" Bereitschaft der Katholischen Kirche, Missbrauch konsequent
aufzuarbeiten, verbirgt Prof. Dreßing nicht.
27.06.2019 Opfer sexueller Gewalt können weiterhin finanzielle Hilfen beim Fonds Missbrauch beantragen.
Betroffene sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter sollen weiterhin Hilfen vom Bund erhalten. Das
Bundeskabinett hat am Mittwoch mit dem Bundeshaushaltsentwurf für 2020 beschlossen, dass die Finanzierung des Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ fortgesetzt wird. Anträge auf
Hilfen an den Fonds können damit weiterhin gestellt werden. Bisher sind rund 11.500 Anträge eingegangen. Vorbehaltlich der Zustimmung durch das Parlament werden die Mittel im Vergleich zu
2019 um 28,4 Millionen Euro auf 45,4 Millionen Euro aufgestockt.
28.06.2019 Deutsche Bischofskonferenz veröffentlicht das Protokoll des Workshops bezüglich der Anerkennungs- und Entschädigungsleistungen der Katholischen Kirche.
Als Link der Hinweis auf die Presseerklärung der DBK und als weiterer Link das Protokoll. Am Workshop haben auch zwei Mitglieder unseres Vereins mitgearbeitet.
25.06.2019 Ständiger Rat der DBK befasst sich mit der Überarbeitung der Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch
Ständiger Rat befasst sich mit der Überarbeitung der Rahmenordnung Prävention, der Leitlinien und des Maßnahmenkatalogs zur Aufarbeitung
sexuellen Missbrauchs
Der Ständige Rat hat sich auf seiner heutigen Sitzung (25. Juni 2019) in Berlin mit Entwürfen zur Überarbeitung der Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch und der Rahmenordnung
Prävention befasst. Die Entwürfe wurden seit Juni 2017 in Redaktionsprozessen unter Einbeziehung von Betroffenen erarbeitet. Dabei wurden Hinweise aus den (Erz-)Bistümern ebenso
berücksichtigt wie die Ergebnisse des Gutachtens des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung München zum Bistum Hildesheim (Oktober 2017), der MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an
Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (September 2018) und neuere datenschutzrechtliche
Entwicklungen.
Mit der Veröffentlichung des Motu proprio Vos estis lux mundi am 9. Mai 2019 hat Papst Franziskus ein weiteres Dokument im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch erlassen. Auch
wenn viele der neuen universalkirchlichen Normen bereits durch die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz abgedeckt sind, müssen Regelungen des Motu proprio in die Leitlinien und die
Rahmenordnung eingearbeitet werden. Aus diesem Grund hat der Ständige Rat die Geltungsdauer der aktuellen Regelungen bis zum 31. Dezember 2019 verlängert. Die abschließenden Entwürfe sollen
bis Ende 2019 verabschiedet werden.
Als Reaktion auf die Ergebnisse der MHG-Studie haben die deutschen Bischöfe am 20. November 2018 fünf zentrale
Schritte angekündigt, die unter der Verantwortung von Bischof Dr. Stephan Ackermann (Trier), Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen
des Kinder- und Jugendschutzes der Deutschen Bischofskonferenz, konsequent umgesetzt werden (siehe auch Pressemitteilung vom 20. November 2018).
Bischof Ackermann hat im Ständigen Rat über die kontinuierlichen Fortschritte berichtet. Bei der Umsetzung aller Arbeitsschritte wird großer Wert auf die Zusammenarbeit mit Betroffenen,
externen Sachverständigen, Vertretern staatlicher Stellen und Wissenschaftlern gelegt. Zum Stand der Arbeiten berichtete Bischof Ackermann:
·Zur Erarbeitung einer standardisierten
Aktenführung wurde eine bundesweite Erhebung zur gegenwärtigen Praxis in den (Erz-)Bistümern durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Erarbeitung einer
bundeseinheitlichen Rahmenordnung, welche die Dokumentation von Missbrauchsbeschuldigungen in allen (Erz-)Bistümern einheitlich, transparent und verbindlich sicherstellen soll. Eine
Expertengruppe wird diese Rahmenordnung erarbeiten, die sich am weltlichen Beamtenrecht orientieren soll.
·Die MHG-Studie hat die Einrichtung
von unabhängigen Anlaufstellen für Betroffene empfohlen, welche eine niedrigschwellige und von der katholischen Kirche unabhängige Beratung gewährleisten sollen. Dazu werden
zurzeit Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend (BKSF)
geführt.
·Zur Weiterentwicklung des
gegenwärtigen Verfahrens zur Anerkennung des Leids fand am 27. Mai 2019 ein Kick-off-Workshop statt, bei dem 28 fachkundige Personen aus Kirche und Gesellschaft Vorschläge
für eine Reform des aktuellen Systems erarbeitet haben (siehe auch Aktuelle Meldung vom 28. Mai 2019). Diese bezogen sich unter anderem auf die Struktur und Transparenz des Verfahrens sowie auf die Unabhängigkeit des
Entscheidungsgremiums. Es wurde außerdem besprochen, ob eine möglichst individualisierte oder pauschale Lösung vorzuziehen sei. Deutlich wurde dabei, wie wesentlich ein betroffenensensibles
Vorgehen in dem gesamten Verfahren ist. Die im Workshop gewonnenen Erkenntnisse werden durch Erhebungen zur Zufriedenheit von Betroffenen mit dem aktuellen System und zur Akzeptanz bei den
unterschiedlichen Beteiligten ergänzt. Eine unabhängige Arbeitsgruppe wird beauftragt, Grundsätze für die Überarbeitung und Weiterentwicklung des Verfahrens vorzulegen, die auf möglichst
breite Zustimmung stoßen.
·Zur Sicherstellung einer transparenten
und unabhängigen Aufarbeitung arbeitet die katholische Kirche mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm
Rörig, und einer von ihm eingerichteten Arbeitsgruppe zusammen. Am 22. Mai 2019 fand dazu ein erstes Treffen statt, bei dem sich über das weitere gemeinsame Vorgehen verständigt wurde. Bis
zum Herbst soll eine Vereinbarung zu einheitlichen Standards und Kriterien der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im katholischen Bereich geschlossen werden.
·Im Anschluss an die Beratungen zur MHG-Studie
im September 2018 erklärten die deutschen Bischöfe, ein verbindliches überdiözesanes Monitoring für die Bereiche der Intervention und der Prävention einzurichten. Mithilfe
eines solchen überdiözesanen Monitorings soll die bisher bemängelte Undurchsichtigkeit und Uneinheitlichkeit im Umgang mit den Maßnahmen und Verfahren zur Intervention, Prävention und
Aufarbeitung systematisch erfasst und behoben werden. Dazu wird eine Zusammenarbeit mit dem Institut für Prävention und Aufarbeitung (IPA) angestrebt, dessen Gründung am 27. Mai 2019
öffentlich angekündigt wurde und das Mitte September 2019 in Lantershofen seine Arbeit aufnimmt.
Hintergrund
Die Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich
der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahre 2002 wurden überarbeitet und in einer ersten Fassung am 1. September 2010 ad experimentum für drei Jahre erlassen. Am 26. August 2013 wurde eine
weitere überarbeitete Fassung für fünf Jahre erlassen. Die überarbeitete Rahmenordnung Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen im Bereich der
Deutschen Bischofskonferenz wurde am 26. August 2013 verabschiedet und ersetzte damit die Erstfassung vom 23. September 2010.
Hinweise:
Der Maßnahmenkatalog sowie ein Überblick über zentrale Maßnahmen der katholischen Kirche in Deutschland im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im kirchlichen Bereich seit
Januar 2010 sowie weitere Informationen zu den Themen Missbrauch und Prävention sind unter www.dbk.de auf der ThemenseiteSexueller Missbrauch verfügbar.
Dort sind ebenfalls die aktuellen Versionen der Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz sowie der Rahmenordnung Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zu finden.
20.06.2019 Diakon kommt mit Bewährungsstrafe für die Vergewaltigung einer 15jährigen davon
Unfassbar die große Unterstützung, die der Täter auch noch heute,im Jahr 2019, aus seiner Gemeinde erfährt. Auch das zugesprochene Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € scheint uns für ein
junges Leben, das in Trümmern liegt, nicht angemessen.
18.06.2019 Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln hat sich konstituiert. Erzbischof Wölki erwartet eine gute Zusammenarbeit und vor allem kompetente Beratung in Fragen der
Intervention und der Prävention bei Sexualisierter Gewalt.
Der von Erzbischof Wölki berufene Betroffenenbeirat hat sich nach mehreren Treffen eine Geschäftsordnung gegeben und hat Leitlinien der Zusammenarbeit untereinander und mit dem Stab des
Erzbischofs verabschiedet. Zwei Mitglieder unseres Vereins sind als ordentliche Beiratsmitglieder bestellt. Der Erzbischof hat zusammen mit den Sprechern des Beirats die Ziele der
Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Zusammenarbeit des Beirats mit der Stabsstelle Intervention und mit der Stabsstelle Prävention gestaltet sich bisher ausgesprochen vertrauensvoll und konstruktiv.
12.06.2019 Aufsichtspflicht pädagogischer Institutionen in Deutschland offensichtlich nicht wirklich durchsetzbar. Institutionelle Nicht- Aufsichtspflicht zumindest in Internaten in
einem bemerkenswerten Urteil festgeschrieben. "Naive Pädagogik" schützt die Täter und die Gelegenheitsstruktur, die die Institution bietet. Die Opfer bleiben mit ihrem Schicksal allein.
Der Deutschlandfunk hat sich wieder einmal besondere Verdienste durch seine Recherche im Fall der mehrfachen Vergewaltigung eines körperbehinderten Kindes erworben. Jede Zeile des Berichtes
scheint einem Horror- Tatort- Drehbuch der ARD zu entstammen. Das entsprechende Gerichtsurteil hinterlässt Kopfschütteln und Wut. Da behauptet der vom Gericht eingesetzte Gutachter doch
tatsächlich, eine Aufsichtspflicht von Erziehern sei deshalb nicht gegeben, weil diese sich einer "naiven Pädagogik" bedienten. In der Folge bleibt die "Gelegenheitsstruktur" der Einrichtung
unhinterfragt und ungesühnt und in der Folge das schwerst traumatisierte Kind ohne Entschädigung. Ansonsten ein Paradebeispiel für den verzweifelten Kampf vieler Betroffener und
Mitbetroffener um Gerechtigkeit.
10.06.2019 Machismo und die Ohn- macht der Frauen in der Kirche
Aufschlussreiches Interview zur Machtfrage in der Kirche. Die Macht liegt in den Händen der Männer. Die Nichtzulassung von Frauen zum Priestertum insofern konsequent.
08.06.2019 Missbrauch von Kindern durch Priester in Kamerun. Mitleid erfahren die Priester
Der Deutschlandfunk berichtet über Missbrauch von Kindern in Kamerun durch katholische Priester. Erschreckend: die Gläubigen haben Verständnis, gar Mitleid mit den Priestern wegen des
auferlegten Zölibats. Der Missbrauch an Kindern wird vorwiegend unter dem Blickwinkel der Sünde der Priester bewertet. Die Kinder und ihr Leid kommen gar nicht in den Blick. Lesenswert wegen
der völlig verdrehten Bewertungsmaßstäbe. Eine Verdrehung allerdings, die die zahllosen Missbrauchsfälle der vergangenen Jahrzehnte und ihre Vertuschung bzw. Verleugnung innerhalb der
katholischen Kirche bestens erklärt. Wenn es nicht um das Leid der Opfer sondern um die Sünde, sprich Todsünde von Priestern geht, wird verständlich, dass der härteste Richterspruch der kath.
Kirche gegen Priestertäter lautet: Verbot, Gottesdienst abzuhalten. Es wird auch verständlich, dass die Kirche sich beim Schuldausgleich (Entschädigung) bis heute so schwer tut.
07.06.2019 Noa Pothoven. Tod durch Depression und Magersucht nach Missbrauch
Der Fall des Mädchens Noa Pothoven, die jetzt 17jährig verstorben ist, ging mehrfach durch die Presse wegen der von ihr herbeigesehnten Sterbehilfe, die von den niederländischen Gerichten
aber verwehrt wurde. Unbeachtet blieb der Hintergrund des Todeswunsches, nämlich der sexuelle Missbrauch an ihr:
"Als Noa am vergangenen Sonntag ihren letzten Atemzug nahm, hatte sie einen langen Leidensweg hinter sich. Mit elf Jahren wurde sie zum ersten Mal missbraucht, auf einer
Schulfeier. Ein weiteres Mal im Alter von 12. Als sie 14 war, wurde sie von zwei Männern in ihrem Heimatort Arnheim vergewaltigt. "Ich erlebe diese Angst, diesen Schmerz jeden Tag wieder.
Ich bin immer verängstigt, immer auf der Hut. Bis heute fühlt sich mein Körper schmutzig an", sagte sie der
Zeitung "Gelderlander". Damals habe sie "aus Angst und Scham" geschwiegen.
Der seelische Schmerz wuchs, richtete sich nach innen. Noa veränderte sich, hungerte. Die Eltern merkten lange nichts, bis Mutter Lisette vor anderthalb Jahren beim Putzen
eine Plastiktüte mit Abschiedsbriefen fand. Ein Schock. "Noa ist süß, schön, klug, sozial und immer fröhlich", sagte sie der Zeitung. "Wie ist es möglich, dass sie sterben möchte?"
Erst Jahre nach den Übergriffen erstattet Noa Anzeige gegen ihre Peiniger, doch zu einer Aussage konnte sie sich nicht durchringen. "Sie muss der Polizei genau sagen, was diese
Männer mit ihr gemacht haben", so Mutter Lisette. "Aber sie findet das immer noch zu schwierig. Zu konfrontativ." Sie habe die Hoffnung, dass die Vergewaltiger ihres Kindes eines
Tages gefasst werden, damit sie "erfahren, was sie angerichtet haben"."
Auf RTL. de finden Sie einen überraschend aufschlussreichen und ausführlichen Bericht dazu:
06.06.2019 Brandmeldung! Erschütternde Zahlen minderjähriger Gewaltopfer nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2018
Berlin, 06. Juni 2019 Zahlen kindlicher Gewaltopfer nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2018
Entwicklungen für einen verbesserten Kinderschutz bleiben erneut aus
Die Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e.V. stellte heute gemeinsam mit Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, Kathinka Beckmann, Professorin
für klassische und neue Arbeitsfelder der Pädagogik der Frühen Kindheit an der Hochschule Koblenz und Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen
Kindesmissbrauchs, die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2018 zu kindlichen Gewaltopfern vor. Im Jahr 2018 sind 136 Kinder gewaltsam zu Tode gekommen. Fast 80 Prozent von
ihnen waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre. In 98 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch. Bei den Zahlen zu Misshandlungen ist ein leichter Rückgang von 4.247 auf 4.180
betroffene Kinder zu verzeichnen. Im Bereich sexuelle Gewalt sind die Delikte des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach den §§ 176, 176a und 176b um 6,43 Prozent gestiegen. Insgesamt waren
14.606 Kinder von sexueller Gewalt betroffen. Das sind 40 Fälle pro Tag, von denen wir Kenntnis erlangen. Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fallzahlen zur Herstellung, zum
Besitz und zur Verbreitung sogenannten kinderpornografischen Materials sind von 6.512 auf 7.449 Fälle gestiegen. Das ist ein Anstieg von 14,39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Die
allermeisten Delikte gegen Kinder – Misshandlungen, sexuelle Übergriffe oder sexueller Missbrauch – passieren zwar hinter verschlossenen Türen, doch oft in Familien oder sozialen Gruppen
mitten unter uns, oft jahrelang“, erklärt Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes. „Daher sind wir alle gefragt, wachsam zu sein und nicht wegzuschauen. Jeder, der auf strafbare
Handlungen aufmerksam wird, sollte nicht zögern und Strafanzeige erstatten, um das Leid der Kinder zu beenden. Wer wegschaut, macht sich mitschuldig!“ Dem schließt sich Rainer Becker,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e.V. an und fordert: „Wenn wir Kinderschutz ernst nehmen wollen, müssen wir zunächst unsere eigene Haltung
kritisch hinterfragen. Haltung meint, Kinder und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, ihnen zuzuhören und sie ernst zu nehmen, das Recht auf Beteiligung wirklich umzusetzen. Haltung bedeutet, das
professionelle Selbstverständnis immer wieder zu überprüfen, um den Anforderungen im Kinderschutz gerecht zu werden. Dafür braucht es Aufmerksamkeit, Engagement und Beharrlichkeit.“ Daneben
beklagt Kathinka Beckmann, Professorin für klassische und neue Arbeitsfelder der Pädagogik der Frühen Kindheit an der Hochschule Koblenz, die Situation in der Kinder und Jugendhilfe: „Zu
wenig Fachkräfte bei steigenden Fallzahlen, keine ausreichende Qualifizierung der Mitarbeitenden, eine mangelnde finanzielle Ausstattung. Die Hauptakteure im Kinderschutz – die Allgemeinen
Sozialen Dienste der Jugendämter – unterliegen defizitären strukturellen Rahmenbedingungen.“ Sie mahnt daher in aller Deutlichkeit: „Wer in der Jugendhilfe spart, die Jugendämter nicht
angemessen mit ausreichend – und ausreichend qualifiziertem – Personal ausstattet, der begeht institutionelle Kindeswohlgefährdung.“ Mit Blick auf die Zahlen im Bereich der sexuellen Gewalt
gegen Kinder stellt der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, fest: „Zu sexueller Gewalt gegen Mädchen und Jungen spricht die PKS auch
für das Jahr 2018 eine erschütternd deutliche Sprache. Ein weiterhin hohes Niveau der angezeigten Fälle beim Kindesmissbrauch, eine starke Steigerung der Fälle bei den Missbrauchsabbildungen.
Das darf niemanden in der Politik kalt lassen. Die Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Minderjährige muss viel konsequenter angegangen werden. Die Ermittlungsmöglichkeiten müssen weiter
geschärft werden. Die IP-Adresse führt zum Täter, weshalb wir in Deutschland dringend eine EU-rechtskonforme Vorratsdatenspeicherung brauchen. Nach den Missbrauchsfällen von Lügde und Staufen
appelliere ich dringlich an alle Landesregierungen, Landesmissbrauchsbeauftragte einzurichten, ressortübergreifende Bestands- und Defizitanalysen zum Kinderschutz durchzuführen und konkrete
Maßnahmen mit Zeitplan und Preisschild zu vereinbaren. Die hohe Zahl der Missbrauchsfälle darf von keinem Bundesland hingenommen werden. Die Landesregierungen halten den Schlüssel für
besseren Schutz und bessere Hilfen in der Hand.“ Pressekontakt Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e.V. Rainer Becker Telefon: 030 24 34 29 40 Mobil: 0151 174 89 289
presse@kindervertretung.de www.kindervertretung.de
Umgerechnet: in jeder deutschen Schulklasse sitzen zwei Kinder, die sexuelle Gewalt erfahren haben
Auch das bestätigt die Presseerklärung bzw. die veröffentlichten Zahlen: wir dürfen nicht aufhören, uns für eine gute Prävention einzusetzen. Eine Prävention, die allen fachlichen Maßgaben
folgt- und nicht eine Prävention, die sich ihre Notwendigkeiten selber strickt, eine, die nach eigenem Gusto gestaltet wird und der Maßgabe folgt, dass wir fachliche Expertise noch nie
nicht nötig hatten, weil wir ja so besonders sind.
04.06.2019 Taize! Was für ein Ort! Welche Spiritualität! Auch ein Ort des Missbrauchs heiliger Macht.
Für alle, die in den 70er Jahren jung waren, war Taize ein Ort mit besonderer Ausstrahlung. Und das ist er wohl bis heute geblieben. Wer aber auch nur ein wenig Einblick gewonnen hat in
"besondere Orte", in "besondere Institutionen" und solche, die sich so fühlen, weiß auch: es sind immer auch Orte für Täter. Täter nutzen für sich die Heiligkeit, die Spiritualität, den
besonderen Nimbus solcher Orte und Institutionen. Solche Orte sind wie sonst nur wenige Orte besonders geeignet, Tatort zu werden. Jetzt haben sich zaghaft erste Opfer gemeldet. Auch das
gehört zu diesen besonderen Orten: nirgendwo sonst ist die Scham größer, Opfer geworden zu sein, nirgendwo sonst ist das selbstauferlegte Schweigegebot größer.
03.06.2019 Lächerliche Höhe von Entschädigungszahlungen an lebenslang beschädigte Missbrauchsopfer lösen Kopfschütteln aus
Wie beschämend und unverhältnismäßig Entschädigungszahlungen nach dem OEG (Opferentschädigungsgesetz), diskutierte Zahlungen der katholischen Kirche an Missbrauchsopfer oder gar die Zahlungen
in Anerkennung des zugefügten Leids in Höhe von 5.000,00€ sind, wird doch sehr deutlich an Zahlungen, die beispielsweise Prominente in Deutschland erhalten bloß bei unrechtmäßiger Verwendung
ihres Bildes in einer Zeitschrift. Hier als Beispiel das uns besonders empörende Urteil bezüglich der "nicht autorisierten" Verwendung eines Bildes von Günter Jauch:
Im deutschen Entschädigungsrecht (und das beileibe nicht nur bezogen auf sexuelle Gewalt) stimmt nichts, aber auch gar nichts. Wenn das endlich über die Diskussion der "unverschämten"
Forderungen von Missbrauchsopfern der Öffentlichkeit deutlich würde, es wäre viel gewonnen. Hört man hier etwas Konstruktives aus der Politik? Sieht man hier Bewegung? Gibt es hierzu
Talkshows bei Maischberger oder anderen? Was hier Kopfschütteln auslösen sollte, für uns Betroffene ist das eindeutig.
Und es stimmt: keine Entschädigungszahlung kann das Verbrechen wieder gut machen und die Ermöglichung der Verbrechen durch Wegsehen sühnen- und doch ist sie notwendig und richtig.
Auf die Opfer des Holocaust oder die Zwangsarbeiter und ihre geringe Entschädigung hinzuweisen, auch das hilft nicht. Sowohl die damaligen Verfahren selbst wie erst recht die Zahlungen, sie
waren von Anfang an nur lächerlich, beschämend und allein politischem Kalkül geschuldet. Aber heute ist nicht mehr 1945, nicht mehr 1970, nicht mehr 1989, ja nicht einmal mehr 2018. Man kann
es gerne überprüfen.
01.06.2019 Leben nach einer Vergewaltigung "Jahrelang war ich Soldatin"
Wie wir finden, ein starkes Interview über die Folgen eines Schwerverbrechens mit einer Frau, die als Kind vergewaltigt wurde - und der Hinweis auf eine aufrüttelnde Selbst- Biografie
über das Überleben.
Wenn hier eines deutlich wird: ein Missbrauchsopfer kann niemals den Tätern, den Verantwortlichen, dem Tatort - wie man gerne und ohne nachzudenken verlangen könnte - unvoreingenommen
gegenübertreten. Es gibt viele Möglichkeiten Zugang zu finden, aber unvoreingenommen? Das verlange man doch bitte nicht und niemals.
Eine andere eindrückliche aktuelle Geschichte (aber mit paywall versehen) zum Missbrauch in einem Kinderheim:
31.05.2019 Übersichtsartikel zur Studie der Deutschen Bischofskonferenz "Missbrauch", sog. MHG- Studie
Nicht jeder will sich die Zeit nehmen, die vielen hundert Seiten der Studie zu lesen. Hier ein guter Übersichtsartikel zur Studie im Deutschen Ärzteblatt:
30.05.2019 Austausch von Mitbetroffenen (Angehörige von Betroffenen und andere Zeugen) - erster Aufruf, sich zu melden
Offensichtlich gibt es sowohl bei uns als auch bei anderen Betroffenenzusammenschlüssen ein erhöhtes Bedürfnis zum Austausch von Mitbetroffenen (Angehörige von Opfern) .
Zu unserem Kreis gehören im erweiterten Sinn bisher offiziell 1 Mitbetroffene (Ehefrau) und informell (im Anschluss an die offiziellen Treffen) regelmäßig 4 Mitbetroffene (Ehefrauen), dazu
mehrere Ordens Leute, die sich aber nicht als Mitbetroffene sehen, obschon sie es strenggenommen sind. Beim nächsten Mal mit dabei die Ehefrau eines bereits verstorbenen Betroffenen,
der es ein Herzensanliegen ist, uns kennenzulernen und über das schwere Trauma- Erbe ihres Mannes zu sprechen. Tatsächlich haben wir bei bisherigen Gesprächen festgestellt, dass die sog.
Mitbetroffenen oft leichter und präziser über die Auswirkungen der Verbrechen berichten können als die Betroffenen selbst.
Das Anliegen ist der Austausch unter Mitbetroffenen vor dem Hintergrund der Selbsthilfe. Möglicherweise kann z. B. mindestens ein Forum über ein digitales soziales Netzwerk gegründet werden. Nach unseren Informationen scheint es so zu sein, dass kirchlicherseits bisher eher versucht wurde, zu verhindern, dass Opfer und
Mitbetroffene überhaupt zueinander finden. Mit den Ansprechpartnern im Orden der Redemptoristen haben wir allerdings andere und bessere Erfahrungen gemacht.
Wer Interesse an einer Möglichkeit zum Austausch hat, melde sich doch bitte beim Verein, damit wir einen ersten Kontakt zu anderen Mitbetroffenen herstellen.
Sollte jemand bereits wissen, wo es eine Möglichkeit für Mitbetroffene gibt, sich auzutauschen, freuen wir uns über jeden Hinweis.
29.05. 2015 Erste Expertenrunde der Katholischen Kirche (DBK) zu möglichen Entschädigungszahlungen an Betroffene.
In Bonn fand am Montag,den 27.05.2019 eine erste Expertenrunde zu Entschädigungszahlungen der Kirche an Missbrauchs- und Gewaltopfer statt.
Hier ein Link zu einem die Diskussion auf dieser Tagung recht verkürzenden Bericht des Spiegels:
"Doch das gilt längst nicht für alle Gebäude, zumal sich hinter der Bilanz teils große andere Immobilienwerte verstecken: In Form von Beteiligungen an Wohnungsbaugesellschaften
oder nicht marktbewerteten Mietshäusern. Das Erzbistum Köln ist etwa mit mehr als 40 Prozent an der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft beteiligt, die insgesamt 25.000 Wohnungen verwaltet."
28.05.2019 Hier Verbrechen in kirchlicher Verantwortung, da Verbrechen in staatlicher Verantwortung. Kinder bei pädophilen Pflegevätern
Jahrelang haben Berliner Jugendämter Kinder zu pädophilen Pflegevätern geschickt. Die Opfer leiden bis heute unter der Missbrauchsfolgen. Erschreckend die Parallelen in der Rechtfertigung der
Verbrechen und auch in den Folgen der Verbrechen für die Opfer. Erschreckend auch die Parallelen, wie mit Opfern umgegangen wird:
Um zu beurteilen, was Sinn und Zweck eines solchen Instituts ist, braucht es mehr Informationen, als sie bisher vorliegen. Jetzt nur soviel: Selbstverständlich ist es zu begrüßen (und von uns
auch immer wieder als Hinweis eingebracht), wenn die Kirche auch mit eigenen Mittel und eigenen Leuten den Missbrauch aufarbeitet. Wer weiß besser Bescheid über die "geheiligte Macht"
(Büntrup), die inneren Mechanismen der Verdeckung, des Verschweigens, über die besondere Art, Akten anzulegen und Archive zu führen, als die Kirchenleute selbst? Aber natürlich ist Misstrauen
angesagt, wenn das bedeutet, dass die Kirche sich durch Gründung eines solchen Instituts der Aufarbeitung durch Externe entziehen will. Glaubhaft wird der Aufarbeitungsauftrag an ein solches
Institut nur dann, wenn auch externe Wissenschaftler ihrerseits aufarbeiten und wenn eine unabhängige Kontrolle des Auftrags durch Betroffene offiziell installiert wird. Externe Aufarbeitung
wird dabei nicht überflüssig. Interne und externe könnten sich allerdings ergänzen. Die Berufung von Herrn Vogt zum Leiter des Instituts gibt wegen seiner Art der Führung des
Interventionsstabes im Erzbistum Köln Anlass zur Hoffnung, dass schonungslos aufgearbeitet wird. Nicht zu verhehlen ist, dass einzelne Maßnahmen seines Stabes in der Vergangenheit
durchaus befremdet haben und damit Anlass zur Skepsis gegeben ist.
Wenn ein solches Institut gar einen durchgreifenden Evaluationsauftrag bezüglich Prävention bekommt, dann wird aus der gerne vorn getragenen Chimäre "Prävention" möglicherweise ein Pfund, mit
dem Missbrauch tatsächlich vorgebeugt werden kann. Selbst durch den Präventionsstab des Erzbischofs gut geprüfte Papiere allein helfen nicht wirklich, bleiben letztlich doch nur Papiere.
Wichtiger als die Papiere ist die Implementation im Alltag der jeweiligen Institution. Die Institutionen der Kirche sind bekanntlich darin durchaus geübt, so zu tun als ob. Es sei hier darauf
noch einmal deutlich hingewiesen, dass kirchliche Täter sich vielfach gerade dadurch hervorgetan und geschützt haben, indem sie sich betont "fromm" und betont "konservativ im Glauben" gaben,
so dass Außenstehende regelmäßig den Kommentar abgeben: "Der oder Die und Missbrauch? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen". Dasselbe gilt namentlich in besonderer Weise für
die Haupttäter im Orden der Redemptoristen.
26.05.2019 Bischof Bode (Bistum Osnabrück) lässt sich mit Details des Missbrauchs und seiner Vertuschung in der Kirchengemeinde Merzen konfrontieren
23.05.2019 Treffen von UBSKM und Bischof Dr. Stephan Ackermann zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche
PRESSEMITTEILUNG
Treffen von UBSKM und Bischof Dr. Stephan Ackermann zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der
katholischen
Kirche
Konsequenzen aus der MHG-Studie
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen
Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, ist gestern mit demBeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und
für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, Bischof Dr. Stephan
Ackermann (Trier), zu einem ersten Gespräch der von ihm eingerichteten
Arbeitsgruppe „Aufarbeitung Kirchen“ zusammengetroffen. Nach der Vorstellung der MHG-Studie im September 2018, an der Johannes-Wilhelm Rörig während der Vollversammlung der Deutschen
Bischofskonferenz in Fulda teilnahm, war in der Folge der Konsequenzen aus der MHG-Studie eine enge Zusammenarbeit vereinbart worden.
Bischof Ackermann und die mit ihm anwesenden Vertreter von Bistümern und Orden zeigten
sich erfreut über das Gespräch: „Wir haben einen ersten Fahrplan erarbeiten können, um zusammen mit dem UBSKM weitere Schritte zu planen. Ich bin dankbar, dass Herr Rörig in den
zurückliegenden Monaten bei mehreren Veranstaltungen der katholischen Kirche Gast war und uns ein wichtiger Ratgeber geworden ist.“ Für die Frage der unabhängigen Aufarbeitung als eine der
Konsequenzen aus der MHG-Studie spiele der UBSKM eine zentrale Rolle, so Bischof Ackermann.
Der intensive Austausch führte zu der Übereinkunft, dass möglichst bis zum Herbst Eckpunkte einer
Vereinbarungzu strukturellen Festlegungen und einheitlichen Standards und Kriterien der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im
katholischen Bereich abgeschlossen werden sollte.
„Jetzt beginnt eine Phase abschließender Klärungen zu Fragen der
umfassenden und einheitlichen Betroffenenbeteiligung, dem rechtssicher ausgestalteten Zugang zu Informationen und Akten und zu Fragen des Datenschutzes und der Sicherstellung von
Persönlichkeitsrechten“, betonte Johannes-Wilhelm Rörig.„Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unsere hochgesteckten Ziele für eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im katholischen Bereich gemeinsam erreichen
werden.“
Mit dem aktuellen Treffen, so Ackermann und Rörig, wurde dafür eine gute Basis
geschaffen.
22.05.2019 Pater Peter Riedel 9 Jahre nach der entsprechenden Anzeige kirchenrechtlich für seine Taten bestraft
Unser Freund und Mitstreiter Matthias Katsch, bekannt als Sprecher des Eckigen Tisches in Berlin, hat das zum Anlass genommen für eine öffentliche persönliche Erklärung, die wir gerne hier
wiedergeben:
Persönliche Erklärung zur Bekanntgabe des Urteils gegen Peter Riedel
Persönlich bin ich erleichtert, dass dieses Verfahren endlich abgeschlossen werden konnte – immerhin neun Jahre haben wir darauf gewartet und vor allem, dafür gekämpft. Ohne diese
ausdauernden Bemühungen hätte es nicht einmal dieses Ergebnis gegeben: der Täter darf nicht länger priesterliche Funktionen ausüben. Dies ist auch ein klares Signal an alle seine Opfer, in Deutschland und in Südamerika. Ich erwarte, dass dieses Urteil auch in Chile bekannt gemacht wird, wo er viele Jahre als Priester
gearbeitet und von wo er junge Frauen nach Deutschland gebracht hat. Den Verantwortlichen im Bistum Berlin bin ich dankbar, dass sie im Rahmen der gegebenen kirchenrechtlichen Vorschriften versucht haben, dieses Verfahren zum Abschluss zu bringen. Auch
unserem Kirchenrechtsanwalt, der uns beraten und begleitet hat, möchte ich Dank aussprechen. Das Problem, wie sie in diesem Verfahren deutlich werden sind die zugrundeliegenden Regeln des Kirchenrechts: die ungebrochene Kultur der Heimlichkeit, der fehlende Status der
Betroffenen als Opfer einer Straftat. Es ging immer nur um die Verletzung der Kirche und ihrer Regeln durch den ehemaligen Priester - nicht um uns. Als Opfer wurden wir nicht am Verfahren beteiligt, sondern lediglich als Zeugen gehört. Der Versuch, uns durch eine Nebenklage zu beteiligen, wurde mit fragwürdigen Begründungen durch die
Glaubenskongregation in Rom vereitelt. Eine Chance wurde versäumt. Man hätte sehr wohl auch die über 40 Meldungen von Opfern bei den Beauftragten der Jesuiten erwähnen können, die sich nicht der Prozedur einer Vernehmung
unterziehen wollte. Darüber hinaus bleibt ein Dunkelfeld. Sollte das Bistum Hildesheim, den symbolischen Summe von 20.000 Euro für die Arbeit von ECKIGER TISCH leisten, dann begrüße ich das, auch wenn es kein Ersatz für die persönlichen
Ansprüche der Opfer ist . Vielleicht nehmen sich die Jesuiten daran ein Beispiel, denn es war ihr Mitbruder, dem wir zum Opfer fielen. Das Urteil selbst kenne ich nicht. Matthias Katsch 22. Mai 2019
Wir alle sind Matthias für seinen unermüdlichen Einsatz dankbar, auch dafür, dass dieses Urteil möglich wurde.
Das Urteil und das Verfahren lassen uns allerdings auch verzweifelt den Kopf schüttelnd zurück. Denn es zeigt Unglaubliches auf den Punkt genau. Es geht im Kirchenrecht allein um die
Verletzung der kirchlichen Regeln und in keinem Moment und in keiner Zeile um das Verbrechen selbst, geschweige denn um das Opfer des Verbrechens. Im Grund zeigt das Urteil einen Grad
moralischer Blindheit, den man sonst niemandem nachsehen würde. Tatsächlich betätigt es unsere Erklärung im Kapitel: Sieh mich sterben, dass die Opfer nicht gesehen werden: Priester und wohl auch die
meisten Gläubigen sehen die Sünde des Priesters (Todsünde genannt), aber nicht, dass Missbrauch ein Gewaltverbrechen am Mitmenschen, am Kind ist, sehen nicht, was das Verbrechen im Opfer
anrichtet. Wir haben es im besagten Kapitel die klerikale Ungerührtheit im Umgang mit dem Opfer genannt, die offensichtlich im Kirchenrecht und damit in der DNA der Kirche verankert ist.
22.05.2019 Die Orden wollen in der Aufarbeitung nachlegen. Beschluss der Deutschen Ordensoberenkonferenz
Die Orden starten eigene Aufarbeitung. Endlich! 9 Jahre hat es dazu gebraucht seit dem Missbrauchs-Tsunami 2010, der mit den Meldungen im Jesuitenorden begonnen hat. Was die Sprecherin der
Ordenskonferenz dazu sagt, hört sich so schlecht nicht an, sogar der Missbrauch von und vor allem an Nonnen soll aufgearbeitet werden:
Die konkreten Beschlüsse zur Aufarbeitung hören sich aber ganz anders an, nämlich so, als sollten hier ausschließlich schon im Einzelnen bekannte Zahlen gesammelt und zu einem Bericht
zusammengefasst werden:
Für uns ist an keiner Stelle eine inhaltliche Präzisierung zu erkennen. Und die wäre doch dringend notwendig im Nachgang zur sog. MHG- Studie der Diözesen: Was sind die besonderen
organisatorischen Grundverfassungen der Orden, die Missbrauch, Gewalt und Schweigen möglich gemacht haben? Wie wurde der massenhafte Missbrauch in den Orden hergestellt- was war das Rezept
dafür? Was davon wirkt bis heute fort? In den Ordensinternaten z. B., dort gab es starke Signale dafür, dass hinter der leuchtenden Fassade Verbrechen ermöglicht und gedeckt wurden,
dass sich hinter den Klostermauern übelste Verbrecher und Verbrecherinnen versteckten. Wie haben die Orden es geschafft, dass weder sie selbst noch eine durchaus kirchenkritische
Öffentlichkeit diese starken und eigentlich unübersehbaren Signale wahrgenommen haben? Warum wurden bezüglich der Geistlichkeit, die sich zum sexuellen Vergnügen einzelner Nonnen bediente,
nur sattsam bekannte Witze gerissen, aber nie hingeschaut?
Ob also die Aufarbeitungsstudie der Orden neue Erkenntnisse zeitigt oder im schlimmsten Fall den Schein erweckt, Aufarbeitung im einzelnen Orden sei nunmehr nicht mehr nötig, wird erst der
konkrete Auftrag zeigen. Wir warten ungeduldig ab, wer was wie untersuchen und aufarbeiten soll und was die Konsequenzen sein werden.
19.05.2019 Autor der MHG- Missbrauchsstudie beklagt fehlenden Aufklärungswillen der Bischöfe
Was ist vom Aufarbeitungswillen der Bischöfe wirklich zu halten. Prof. Dreßing ist skeptisch. Wir auch!
16.05.2019 Bischof Ackermann äußert sich zur Aktion Maria 2.0 und offenbart ein befremdliches Bild der Geschichte der Kirche
Für Außenstehende ist das Geschichtsverständnis der Kirche doch eher befremdlich: weil vor 1000 oder 1500 Jahren möglicherweise Frauen keine geistlichen Funktionen ausüben durften, sollen sie
es auch heute nicht. Wo wäre die Welt, wenn die Geschichte menschlicher Emanzipation im Jahre 350 stehengeblieben wäre? Verstehen Frauen sich heute nicht anders als vor 1000 Jahren und Männer
doch hoffentlich auch.
Seltsam, wie man sich nicht scheut, dem Islam vorzuwerfen, sich der Entwicklung in den letzten Jahrhunderten zu versperren. Aber die katholische Kirche reklamiert genau das für sich
selbst?
"Ackermann zeigte sich offen für Frauen als Diakoninnen, sofern sich zeige, dass es in der
frühen Geschichte der Kirche schon das Diakonat der Frau gegeben habe. Papst Franziskus hatte in der vergangenen Woche gesagt, eine Expertenkommission sei in der Frage, ob Diakoninnen in der
Urkirche auch sakramentale Ämter hatten, "ohne klares Ergebnis" geblieben. Deswegen müsse diese Frage von der Kommission weiter untersucht werden. "Ich fände es wichtig, dass in absehbarer
Zeit transparent gemacht wird, was denn das Ergebnis der Kommission ist", sagte der Bischof."
09.05.2019 Präventionskonzept des Collegium Josephinum jetzt auf der Homepage der Schule einsehbar
Das Präventionskonzept der Schule ist auf der Homepage des Josephinum unter Aktuelles zu finden. Wir dokumentieren den bemerkenswerten Wortlaut der Ankündigung gerne im Original:
Neuauflage und Veröffentlichung des Institutionellen Schutzkonzeptes
17.05.2019 16:38 von Thomas Wilbert
Das CoJoBo will und soll ein Ort ohne Gewalt und Missbrauch sein. Gerade für unsere Schule hat dieser Satz besondere Bedeutung. Noch bis Ende der 1960er Jahre waren
Schüler – namentlich im Internat – Missbrauch und sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Die Aufarbeitung haben sich Schule und Orden seit 2010 zur Aufgabe gemacht. Deshalb betreffen die
zahllosen Berichte über Missbrauch und Gewalt an Internaten und kirchlichen Einrichtungen uns unmittelbar. Sie wühlen uns auf. Die Ordensgemeinschaft der Redemptoristen, die
Schulleitungen und alle, die Verantwortung für das Leben im CoJoBo tragen, nehmen diese historische Verantwortung an. Es gibt viele Gespräche seitens der Provinzleitung mit Betroffenen,
die über ihre Erfahrungen mutig und entschieden berichten.
Wir richten den Blick zugleich nach vorn. Neben die historische Verantwortung tritt unsere Verpflichtung, das Wohl der Schüler von heute zu achten und es aktiv zu
fördern. Diesem Blick nach vorn dient die Neuauflage unseres Schutzkonzeptes aus dem Jahr 2013. Es schließt an die aktuellen
Standards des Erzbistums Köln an.
Mit unserem Präventionskonzept wollen wir die Gewalt der Vergangenheit nicht verdrängen, sondern ihre Wiederholung in jeder Form verhindern. Wir bieten heute und in
Zukunft unsere Hilfe und Unterstützung an, um Gewalt konsequent und kompromisslos zu verhindern. Wir bemühen uns um Prävention aus christlicher Verantwortung. Wir wollen Missbrauch und
Gewalt für alle Zukunft verhindern. Wir wissen: Prävention passiert nicht an einem Tag und auch nicht mit der Auflage eines Heftes. Sie ist vielmehr ein Prozess, der sich für alle
Beteiligten als Herausforderung darstellt und an dem die gesamte Schulgemeinschaft arbeitet: Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Schule bekennt sich endlich mit der Übernahme des einschlägigen Logos des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs öffentlich und sichtbar zu Ihrem
besonderen Schutzauftrag: Kein Raum für Missbrauch.
Eine inhaltliche Stellungnahme zum Konzept und zu den Ergebnissen der Gespräche, die parallel mit der Ordensleitung der Redemptoristen und einzelnen Ordensmitgliedern geführt wurden,
erfolgt zeitnah.
06.05.2019 Bewegung in der Katholischen Kirche. Frauen begehren auf und streiken.
Unter anderem wegen des Umgangs der Kirchenoberen mit dem Thema Missbrauch bildet sich zunehmend eine Bewegung von unten, eine Bewegung des Kirchenvolks. Die Gründung von "Maria 2.0" ist
Mittelpunkt dieser Bewegung.
22.04.2019 Ratzingers Ausführungen anlässlich des Missbrauchsgipfels seines Nachfolgers werfen mehr Fragen auf als auch nur eine zu beantworten
Hier einige wenige Fragen:
Was sind eigentlich die früheren gelehrten Worte eines Herrn Ratzinger wert angesichts seiner wirklich zweifelhaften und unsinnigen Argumentationen heute? Sind sie reines Wortgeklingel
gewesen, nur zum Schein in Teilen überzeugend und wertvoll?
Wie kann Herr Ratzinger seiner Kirche ernsthaft vorhalten, sie sei zu schwach gewesen, der 68er Bewegung etwas entgegen zu setzen? Wo war er?
Wie wenig ehrenhaft und billig sind seine feindseligen Äußerungen zu Herrn Böckle, immerhin Professor für Moraltheologie, den - nach seinen Worten - nur ein gnädiger Gott durch frühen Tod
davor bewahrt hat, noch mehr Unsinn zu reden? Was spricht da aus Ratzinger und wie kümmerlich und nachtragend spricht er da?
Was hat es mit den "homosexuellen Clubs" in Priesterseminaren der 70er Jahre auf sich? Woher kennt er die und was hatte er mit ihnen warum zu schaffen?
Die Auseinandersetzungen um seine Ausführungen reißen nicht ab. Hier seien als Link vor allem die innerkirchlichen zitiert:
21.04.2019 Weihbischof Oster (Passau) springt Herrn Ratzinger in der Diskussion über Missbrauchsursachen bei und schließt sich seiner unwissenschaftlichen Argumentation an: schuld sind
die Anderen
Nach den Tränen im Anschluss an die Missbrauchsstudie (MHD- Studie) erfolgt nun die Gegenbewegung, allerdings mit durchsichtiger Argumentation. Der Kampf um die Meinungsführerschaft in der
Kirche hat offensichtlich begonnen.
19.04.2019 Prof. Christian Pfeiffer bricht sein Schweigen zum Abbruch der ersten Missbrauchsstudie und erhebt schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche
Leider ist es uns aus rechtlichen Gründen (Paywall) nicht möglich, das Interview, das Prof. Pfeiffer der Wochenzeitschrift "Die Zeit" in der aktuellen Ausgabe gegeben hat, hier abzudrucken.
Ausnahmsweise verweisen wir auf einen Artikel der Bildzeitung, die den Inhalt in Teilen recht authentisch wiedergibt:
19.04.2019 Hörenswerte Sendung im WDR zum Missbrauch unter der Überschrift "Vergebung oder Gerechtigkeit"
Die Sendung wirft ein besonderes Schlaglicht auf die auch hier beschriebene Empathielosigkeit (Sieh mich sterben), mit der die katholische Kirche ihren Missbrauchsopfern bisher begegnet. Pointiert die Ausführungen von Patrick Bauer, Mitglied im Betroffenenbeirat
beim Erzbistum Köln.
12.04.2019 Wendung in den Missbrauchsfällen der Katholischen Kirche und des Ordens: Pater Willibald S., Pater Franz Sch., Pater Willibald D. und viele andere Patres und Priester sind
ohne Schuld. Schuld sind die 68er und die damalige Gesundheitsministerin Käthe Strobl. Der Vorgänger des jetzigen Papstes räumt auf, exkulpiert die Kirche und wirft einen mächtigen dunklen
Schatten auf sich selbst.
Man mag es nicht glauben: aber der vormalige Papst Benedikt schreibt einen Brandbrief bzw. Brandartikel zum Missbrauchsgipfel seines Nachfolgers. Er will angeblich seiner Kirche helfen,
konterkariert aber in unvorstellbarer Weise die kleinen Fortschritte, die die Kirche in der Aufarbeitung der Missbrauchsverbrechen gemacht zu haben schien. Sekundiert wird er vom
ehemaligen Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre Kardinal Gerhard Ludwig Müller,
der seinem ehemaligen Chef bescheinigt, dass niemand intelligenter sich zum Missbrauch in der Kirche geäußert habe als eben dieser ehemalige Papst Benedikt.
Für die Opfer der 50er und 60er Iahre bleibt der zugrundeliegende Intelligenzbegriff undurchsichtig, weil unser Missbrauch just 1968 endete und nicht begann. Dass Missbrauch der 50er und 60er
Jahre der Entwicklung von 1968 und danach geschuldet ist, ist in sich schierer Unsinn.
Übrigens: Zumindest für Pater Willibald S. ist belegt, wie rückwärtsgewandt und dogmatisch (er kannte seine Dogmatik fast auswendig) er argumentierte und dass er -moraltheologisch
untermauert- persönlich nichts so sehr ablehnte wie jede kleinste Lockerung der Sexualmoral.
Dass der ehemalige Papst seiner Kirche vorwirft, aus eigener Schwäche sich dem Einfluss der 68er gebeugt zu haben, macht seine Unsinns- Argumentation nicht besser und führt fast zum
Fremdschämen. Kirche und ihre Vertreter als so schwach zu diffamieren, lässt einen fast sprachlos werden.
Wie sehr die Rechtfertigung des ehemaligen Papstes der Argumentation der klassischen katholischen Dogmatik (Schmaus u.a.) und Morallehre entlehnt ist wie sie in den 60er Jahren an den
kirchlichen Hochschulen gelehrt wurde, zeigt, wie aus der Welt gefallen der ehemalige Papst argumentiert. Wir als Opfer der 60er Jahre verstehen seine abgehobene Sprache überhaupt nur deshalb
(in einzelnen Teilen), weil wir als Jugendliche genau mit denselben Worten fast täglich vom Haupttäter "belehrt" wurden. Der Haupttäter im Orden der Redemptoristen Willibald S. war ein
Meister dieser sehr besonderen Argumentationsweise und stand darin einem Herrn Ratzinger in nichts nach. Dieses Wiederklingen in unseren Ohren - dafür kann Herr Ratzinger nichts - macht unser
Erschrecken über die Ausführungen des ehemaligen Papstes gr0ß und größer. Zurück auf Anfang, das scheint die beschämende Devise zu sein.
Wenn Herr Ratzinger seinen Nachfolger nicht hätte beschädigen und wenn er - so seine Worte - seiner Kirche wirklich hätte helfen wollen, dann hätte ein Satz gereicht: lasst staatliche
Behörden alle Vorfälle sexuellen Missbrauchs aufarbeiten und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgen. Leistet großzügige Entschädigung.
05.04.2019 Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat ihren ersten Bilanzbericht vorgestellt
Kommission veröffentlicht Bilanzbericht
Band I beinhaltet Ergebnisse aus Anhörungen und Berichten sowie Empfehlungen für die Unterstützung von erwachsenen Betroffenen und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. In Band
II erzählen Betroffene in eigenen Worten von ihrer Vergangenheit, dem sexuellen Missbrauch, ihren Wünschen und Hoffnungen.
Kommission veröffentlicht Fallstudie zu sexuellem Kindesmissbrauch in der DDR
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat eine Fallstudie zu sexuellem Kindesmissbrauch in Institutionen und Familien in der DDR veröffentlicht.
04.04.2019 Der Verein MoJoRed ist eingeladen zum Fachgespräch der Aufarbeitungskommission in Berlin
Unsere Expertise ist in Berlin erwünscht: die Einladung der Vorsitzenden der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauch, Prof. Dr. Sabine Andresen, zum Fachgespräch
„Eckpunkte zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Institutionen“ am 9. Mai 2019 im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin nehmen wir an.
03.04.2019 Lesung von Anselm Neft am 31.03. in Bonn aus seinem bei Rowohlt erschienenen Roman "Die bessere Geschichte"
Die Lesung aus dem Roman bestätigt die herausragenden Rezensionen in fast allen Medien. Spannend an diesem Abend die Diskussion zwischen Frau Hagenberg- Miliu, einer unermüdlichen Streiterin
gegen sexuellen Missbrauch von Anfang an und ihrem Mitstreiter Anselm Neft, der sich die Freiheit nimmt, eben keine Geschichte der Odenwaldschule oder des Ako zu
schreiben, sondern ganz eigene Sichten auf Täter und Opfer zu einem spannenden und bisweilen gar kurzweiligen, aber die Sache selbst aufklarenden Roman zu verdichten. Jeder von Gewalt und
Missbrauch Betroffene ist nach der Lektüre noch einmal besonders angefasst (!) und wundert sich, dass er zwischendurch auch Spaß empfunden hat, z. B. bei der Charakterisierung der Personen.
Ein Missbrauchsroman so ganz anders, ein Roman der einlädt zur Kontroverse. Und davon sind wir nun einmal überzeugt: Kontroverse bringt uns darin weiter, zu verstehen, was Betroffene bewegt
und oft genug innerlich (und nicht nur im Einzelfall auch äußerlich) zerreißt.
02.04.2019 Immer wieder lesenswert: Vier Kreise des Schweigens - Sexualisierte Gewalt in katholischen Institutionen
Ein besonders lesenswerter Text, der nach einem Vortrag bei einem Treffen von Betroffenen und Vertretern des Redemptoristenordens im April 2015 entstanden ist. Wer in aller gebotenen Kürze
über die Besonderheiten sexueller Gewalt in katholischen Institutionen Wichtiges erfahren möchte, sollte hier nachlesen:
28.03.2019 Aufmerksame Leser unserer Homepage versorgen uns bisweilen mit aufschlussreichen Links und fügen Kommentare an. Hier zu einem Fall von Missbrauch im Bistum Osnabrück
Inzwischen äußern sich viele Jugendliche, die mit dem Priester im Zeltlager waren: "...wieso, das war bekannt, dass man mit dem nicht in einem Zelt schlafen durfte!"
28.03.2019 Schauen Sie doch zwischendurch mal in unser Gästebuch!
Unser Gästebuch wird zwar selten genutzt. Aber es lohnt sich immer mal wieder hineinzuschauen. Dieser Tage erreichte uns eine Mitteilung zu Bous und zum CoJoBo, die uns sehr berührte.
27.03.2019 Weitere fünfjährige Amtszeit von Johannes-Wilhelm Rörig als „Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“ bestätigt. Gleichzeitige Beauftragung der
Einrichtung eines „Nationaler Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“
Kabinett beschließt neue Amtszeit von Johannes-Wilhelm Rörig als „Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“
Einrichtung „Nationaler Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“
Das Bundeskabinett hat heute auf Vorschlag von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey Johannes-Wilhelm Rörig das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen
Kindesmissbrauchs für weitere fünf Jahre übertragen. Siehe folgende Pressemitteilung mit den Informationen im Einzelnen.
25.03.2019 Einladung unseres Vereins MoJoRed zu einem Workshop der Deutschen Bischofskonferenz
Unsere Fachexpertise ist bei der Deutschen Bischofskonferenz gefragt. Die Deutsche Bischofskonferenz plant einen Workshop zum Thema ‚Anerkennung/Entschädigung des Leids‘ als
einen ersten Prozessschritt dieses Teilprojekts. An dem Workshop sollen ca. 20-25 Fachexperten aus Kirche und Gesellschaft teilnehmen. Anvisiertes Ziel ist es, gemeinsam Arbeitspakete
zum weiteren Vorgehen zu formulieren.
Wir werden teilnehmen in der Hoffnung, zu einem guten Prozess beitragen zu können.
An dieser Stelle sei folgende Bemerkung erlaubt: je mehr unsere Expertise gefragt ist (Betroffenenrat beim Erzbistum Köln, Teilnahme am obigen Workshop), wird umso unverständlicher, dass die
Schulleitung des Collegium Josephinum ausdrücklich unseren Verein aus jeder Kooperation ausschließt.
22.03.2019 Orden der Redemptoristen beruft weibliche Missbrauchsbeauftragte zusätzlich zum bisherigen männlichen Missbrauchsbeauftragten
Mit sofortiger Wirkung ist nun klar, dass als externe Missbrauchsbeauftragte Diplom Psychologin Michaela Bartels, Psychologische Psychotherapeutin / Kölner Str. 104, 53919 Weilerswist / +49
1573 42 55 444 / E-Mail: info@therapie-bartels.de zur Verfügung steht.
Betroffene haben nunmehr die Wahl, ob sie sich an einen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau in Sachen von Gewalt und Missbrauch wenden wollen. Wir begrüßen diese Wahlmöglichkeit sehr und hoffen,
die neue Missbrauchsbeauftragte bald auch persönlich kennenzulernen.
22.03.2019 Missbrauch in der Kirche: Täterschutz vor Opferschutz?
22.03.2019 Pater Pauly als Vertreter des Provinzials wünscht unserem Treffen am 29.03.2019 gutes Gelingen und informiert über besondere Entwicklungen im Orden
Wir bedanken uns für die guten Wünsche und für die großzügige Finanzierung unseres Treffens.
Zu einzelnen Punkten (z. B. Prävention) werden wir gemeinsam bei unserem Treffen eine Stellungnahme entwickeln.
22.03.2019 Emotionale Empathie und ihre Schwierigkeit in der Generation der Nachkommen
Gerne verweisen wir auf eine Sendung des Südwestfunks SWR Nachtcafe zum Thema "Jüdisches Leben in Deutschland" bzw. zum Problem des generationellen Vergessens:
Sehenswert in Bezug auf unser Thema ab Sendeminute 1:24. Sinngemäßes Zitat einer Autorin der 3. Überlebensgeneration:
"Den Nachkommen der Täter fehlt der Zugang zu Emotionen. Wir (die Überlebenden) operieren im luftleeren Raum und es entstehen Blasen und Blasen. Statt Schülern nur Fakten in Form von z.
B. "Schindlers Liste" zu präsentieren soll man mit den Zeitzeugen, von Mensch zu Mensch reden und damit Humanismus, Demokratie und Menschenwürde lernen."
Nichts sensibilisiert auch für das Thema Gewalt und Missbrauch in Institutionen mehr als die gewollte Konfrontation mit Betroffenen.
22.03.2019 Der Missbrauch, die Aufarbeitung und die Reformen
Hierzu eine gute Zusammenfassung und Diskussion beim ZDF:
Die Fallstudie wertet die Berichte von Betroffenen aus vertraulichen Anhörungen und schriftlichen Beiträgen aus. Diese Fallstudie konnten wir nur mit der Hilfe der vielen Betroffenen erstellen,
die den Mut hatten, uns ihre Geschichte zu erzählen.
Mit dieser Fallstudie liegt ein Beitrag zur Aufarbeitung vor, durch den sehr deutlich wird, mit welchen Belastungen und Folgen sich Betroffene von sexueller Gewalt in der Kindheit, die in der DDR
aufgewachsen sind, heute auseinandersetzen müssen.
Die Kommission kann ihre Arbeit über das Jahr 2019 hinaus fortsetzen. Wenn Sie über die Arbeit und die Aktivitäten der Kommission informiert bleiben möchten, können Sie sich für unseren Newsletter anmelden.
Wir bitten zu entschuldigen, falls Sie diese Nachricht ein zweites Mal erhalten. Bei unserem Versand in der vergangenen Woche gab es technische Schwierigkeiten. Darum versenden wir diese E-Mail
erneut.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Simone Sonnenberg
09.03.2019 Auch Satire zum Thema beleuchtet Wahrheiten
07.03.2019 Zwei Mitglieder des Vereins MoJoRed sind in den von Kardinal Woelki installierten Betroffenenrat des Erzbistum Köln berufen worden.
Karl Hauke und Winfried Ponsens sind offiziell Mitglieder des Betroffenenrats im Erzbistum Köln. Wir hoffen, unsere Erfahrungen im Umgang mit der Aufarbeitung im Orden der Redemptoristen auch
dort zum Gewinn der von Missbrauch Betroffenen des gesamten Erzbistums einbringen zu können. Leicht wird es der Kardinal mit uns gewiss nicht haben.
06.03.2019 Die Missbrauchsgeschichte des Täters W. S. muss noch einmal umgeschrieben werden, weil mittlerweile eine neue bedrückende Opfermeldung aus den 80er Jahren vorliegt.
Eine neue Meldung eines Opfers wirft sowohl ein überraschendes wie erwartetes Licht auf den Täter W. S., der offensichtlich auch von seinem neuen Wirkungsort in Aachen (nach Bonn)
Missbrauchsverbrechen begangen hat. Die Meldung bestätigt bedauerlicherweise Vermutungen, die in unserem Kreis schon immer bestanden.
Zumindest wissen wir jetzt definitiv, dass Pater S. noch in den 80er Jahren bis kurz vor seinem Tod mit 58 Jahren missbraucht hat, weder schwul noch pädophil war, sondern sich wohl sexuell
an allem befriedigt hat, was ihm greifbar wurde. Damit ist auch davon auszugehen, dass es zwischen den seit langem bekannten Taten zwischen Aufenthalt in Bonn bis Ende der 60er und der nun
bekannt gewordenen in den 80ern unzählige weitere gegeben haben wird.
Dies muss nach unserer Auffassung zu gegebener Zeit zu der dringenden neuerlichen Befassung mit der Person Pater S. und auch mit der evtl. Mitverantwortung noch lebender Ordensmitglieder bzw. der
damaligen Ordensleitung führen.
Ein Fass wohl ohne Boden.
06.03.2019 Hinweis auf das Treffen der von Missbrauch und Gewalt Betroffenen am 29.03.2019
Bald ist es soweit und wir sehen uns endlich wieder.
Unser Treffen findet wie vereinbart am , Freitag, den 29.3.2019 von 13.00 Uhr bis ca. 17.30 im Stadthotel am Römerturm statt. Für 18
Uhr wird Karl einen Tisch zum Abendessen reservieren. Frau Haardt-Becker wird wie schon lange das Gespräch moderieren. Tagesordnung wird auf Wunsch gerne zugesandt.
03.03.2019 Knietief im Schlamm. Die Katholische Kirche oder die Richter oder der Blogger?
02.03.2019 Bericht in der Zeit anlässlich der Versetzung von Kardinal Theodore Edgar McCarrick (Erzbischof von Washington) in den Laienstand durch Papst Franziskus
Jan Rouven kommt aus Kerpen und wurde von Leuten aus dem Köln/Bonner Raum groß gemacht, die alle, wie auch Pater L. im deutschen Magierzirkel waren. Da kennt man sich einfach, wenn man zudem auch
noch aus der gleichen Region kommt. Eine konkrete Verbindung ist nicht nachweisbar aber vermutet.
28.02.2019 Auch das Josephinum bekommt erhebliche staatliche Zuschüsse. Öffentliche Kontrolle ist deshalb mehr als gerechtfertigt. Eine Beteiligung ehemaliger Missbrauchsopfer bei der Prävention ist daher sachgerecht
Allein das Ako in Bonn hat in den letzten 4 Jahren mehr als 22 Mio. Steuergelder bekommen.
Von den ganzen anderen kirchlichen Schulen in NRW gar nicht zu reden….Auch nicht zu reden vom Collegium Josephinum Bonn. Zur Erinnerung: 2017 gab es den letzten „mutmaßlichen“ Übergriff am Ako.
23.03.2019 Es sind immer mehr Opfer als nach den ersten Untersuchungen vermutet. Das gilt nicht nur für schwierigste Recherchen um die Missbrauchsopfer der 50er und 60er Jahre sondern auch für aktuellere Missbrauchsfälle aus den 80er und 90er Jahren. Bestes Beispiel: Odenwaldschule
Lieber Matthias. Du bist so wichtig für uns, weil kaum jemand so wie Du die Worte zu findet, um die Gefühle und Gedanken beim Thema Missbrauch auf den Begriff zu bringen. Und nicht nur das: sie
auch der Öffentlichkeit zu vermitteln. Halte durch!
22.02.2019 Enttäuschung über den Missbrauchsgipfel in Rom. Wer mehr erwartet hat, ist einer Täuschung erlegen gewesen.
Das Thema war sehr ausführlich in Presse, Rundfunk und Fernsehen. Wir begnügen uns also mit folgendem Link:
20.02.2019 Bemerkenswertes Interview von Matthias Katsch vom "Eckigen Tisch" zur Aufarbeitung der katholischen Kirche. Institutionen brauchen Kontrolle von außen.
20.02.2019 Missbrauchs- Prozesse
gegen die Abtei Mehrerau in Österreich. Hohe Entschädigungssummen
Angehängt finden Sie eine Dokumentation über die Prozesse gegen die Abtei Mehrerau in Österreich (die die in der Birnau am Bodensee die missbrauchenden Seelsorger stellte - also auch den
Missbraucher von Jürgen, der in der Doku zu Wort kommt).
Kinderhandel: S. S. 30 ff; insbesondere das Kapitel "Das Kloster als Vergewaltigungs-Infrastruktur".
Die beiden Kläger erhielten jeweils 250.000 Euro zugesprochen. Zum Vergleich: Üblich sind in Österreich 25.000 €, Vorgabe der Klasnic-Kommission.
Außerdem wurde Verjährungshemmung wegen Traumatisierung und Verdrängung geltend gemacht und vom Gericht anerkannt.
Das sollte auch hier in Deutschland Schule machen.
Wir finden diese Summe durchaus wegweisend für das, was Missbrauchs-Opfern zusteht.
11.02.2019 Weihnachtsbrief aus dem Jugendkloster Kirchhellen und die dort abgedruckte Predigt des vormaligen Provinzials Pater ten Winkel begeistern uns, gerade auch wegen der ganz besonders glaubwürdigen Art, Prävention gegen Missbrauch zu leben.
Großen Eindruck auf uns haben die Unterlagen aus Kirchhellen auf uns gemacht. Die Worte von Aloys Daniel (ein Klassenkamerad vieler Betroffener) sind ein Versprechen, an dem sich der Orden
zumindest an diesem Standort messen lassen muss. Und endlich ploppt das Logo "Kein Raum für Missbrauch" des unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung Rörig auch auf der Website einer
redemptoristischen Institution auf- von uns lange schon gewünscht.
Die Worte von Herrn ten Winkel setzen sich tief in unserem Bewusstsein fest: Er hat verstanden, dass die Folge der Verletzungen nicht aufhört, so lange geschwiegen, vertuscht, abgewiegelt oder
planvoll übersehen wird. Ein Meilenstein im Unterschied zu anderen Worten aus dem klerikalen Bereich zu Missbrauch und Gewalt.
Wir bitten die verspätete Meldung zu entschuldigen. Aber erst heute sind uns diese Texte zugänglich geworden.
11.02.2019 Präventionskonzept gegen was, für was?
Wenn wir das richtig beurteilen, sind wir mit unseren Vorschlägen zum Präventionskonzept der Schule Collegium Josephinum Bonn gescheitert oder von der Schule aus gesehen. die Schule weist die
Vorschläge als Einmischung von ehemals von Missbrauch und Gewalt Betroffenen zurück, übrigens ohne direkte Kommunikation mit den Betroffenen. Selbstverständlich wissen auch wir Betroffene, dass
die 60er Jahre vorüber sind und auch die 90er. Auch wir wissen, dass das, was 1962 oder 1993 oder 2012 oder oder 2019 oder 2020 so wie es seinerzeit geschah, wahrscheinlich nicht eins zu eins
wiederkehrt. Insofern ist das "Lernen aus der Geschichte" für die Prävention heute nicht unmittelbar aus den Erzählungen Einzelner ableitbar. Deshalb haben wir auch immer wieder von der
Prävention gegen Gewalt gesprochen, Gewalt, die ihre sexualisierte Form als eine Form der Gewalt einschließt. Prävention gegen Gewalt meint mehr, meint auch und ganz besonders Gewalt gegen
Mobbing. Und gerade bei dieser - auch bisweilen tödlichen - Form der Gewalt wird eines deutlich: die Verantwortung der Erwachsenen. Mobbing gab es unter Kindern immer. Mag sein. Aber eben nicht
in den Formen und in der Intensität wie heute. Heute aber wissen wir, dass Mobbing kein notwendiges und vorübergehendes Übel ist sondern auch Ausdruck einer gesamten Schulkultur. Prävention soll
gewiss bestimmte Abläufe "veröffentlichen", sie will aber vor allem eine Kultur des Hinsehens und des sich Verantwortens schaffen. Prävention meint nicht nur Schutz vor sexuellen Übergriffen
sondern durch Lehrer garantierte Sicherheit jeden einzelnen Schülers vor jeder Form von Gewalt.
Im folgenden Kommentar der TAZ wird am Beispiel Mobbing deutlich, wie weitgehend ein Präventionskonzept an einer Schule tief in die Alltags- Kultur einer Schule eingreifen muss, soll Sicherheit
für alle Schüler garantiert sein.
Heike Leye (Jahrgang 1981, ist Erziehungswissenschaftlerin und Sozialpsychologin. Sie arbeitet als Anti-Gewalt- und Deeskalationstrainerin an
Schulen. Außerdem ist sie Autorin des Fachbuchs „Mobbing in der Schule“ (Auer-Verlag).
GEWALT AN SCHULEN
Mobber genießen die Macht
Schulen brauchen verbindliche Standards und Mobbing-Interventionsteams. Kinder haben ein Recht darauf, angst- und gewaltfrei zu lernen
Der aktuelle Fall eines elfjährigen Mädchens in Berlin hat dem Thema Mobbing neue Aufmerksamkeit verschafft. Das Kind wurde wahrscheinlich gemobbt und
starb an den Folgen eines Suizidversuchs. Ich arbeite seit elf Jahren als Trainerin und Dozentin zu Mobbing an den unterschiedlichsten Schulen. Nach meiner Erfahrung sind alle Schulformen und
alle Altersgruppen betroffen. Gerade auch an vielen Grundschulen ist Mobbing ein großes Thema. Immer wieder erlebe ich in Schülertrainings, dass Kinder in der weiterführenden Schule in Klasse 5
oder 6 weinend zusammenbrechen, weil sie über Monate oder sogar Jahre in der Grundschule gemobbt worden sind und nie Hilfe erfahren haben. Diese erlebten Verletzungen wirken noch lange nach und
sind oft noch nicht verarbeitet.
Mobbing kann jeden treffen und hängt mit den Regeln einer Gruppe zusammen. Deswegen ist Mobbing auch so unberechenbar und willkürlich; es ist eine
Form von einseitig ausgeübter Gewalt einer Gruppe gegenüber einem einzelnen Schüler. Dadurch entsteht schnell ein Machtungleichgewicht, aus dem sich der oder die Betroffene nach einer gewissen
Zeit nicht mehr alleine befreien kann. Um zu verstehen, wie Mobbing wirkt, muss man sich zunächst klarmachen, dass es hier um ein systemisches Gruppenphänomen geht. Alle in einer Gruppe nehmen
unterschiedliche Rollen ein. Dies bedeutet, dass auch Schüler, die gerne helfen wollen, nicht aus ihrer Rolle herauskönnen und schnell hilflos werden. Sie bekommen Angst, selbst Opfer zu werden
und nicht mehr dazuzugehören, weil die Dynamik von Mobbing sehr massiv wirkt und einschüchtert.
Es können auch gewalttätige Übergriffe auftreten, systematisch, anhaltend und regelmäßig. Diejenigen, die mobben, empfinden ihr Handeln als
Lustgewinn. Das bedeutet konkret: Mobbing macht ihnen Spaß, sie fühlen sich mächtig, und diese Machtgefühle wirken gegen ihre Langeweile. Zudem fühlt eine Gruppe sich oft stärker, wenn es ein
Mobbingopfer gibt. Sie hat ein gemeinsames Ziel: das Opfer fertigzumachen. Schüler, die mobben, werden ihr Verhalten kaum verändern, nur weil die Erwachsenen es so wollen.
Mobbing entsteht zuweilen aus herkömmlichen Konflikten, weil auch sie sich massiv verhärten können. Doch Konflikte betreffen meist nur einzelne
Schüler untereinander. Sie sind nicht geplant und entstehen situativ, weil Bedürfnisse nicht erfüllt werden oder Meinungen auseinandergehen. Konflikte erzeugen auf beiden Seiten negative Gefühle.
Das ist beim Mobbing anders: Die Mobber genießen ihr Tun, während das Opfer leidet. Konflikte können ebenfalls lange andauern und gewalttätig werden. Deswegen muss im Einzellfall genau
hingeschaut werden.
Meine Haltung ist sehr klar: Die Schule steht in der Verantwortung, den Mobbing-Prozess aufzulösen, denn jedes Kind hat ein Recht darauf, in
einem gesunden Umfeld zu lernen und sich zu entwickeln. Dazu benötigen die Schulen, die bisher auf sich allein gestellt sind, Unterstützung.
Es gibt keine schnellen Lösungen, wenn Mobbing erst einmal aufgetreten ist. Sowohl Prävention als auch Intervention benötigen Zeit, Raum und Ausdauer.
Vorzubeugen ist naturgemäß immer besser als im akuten Fall eingreifen zu müssen. Wenn in Klassen schon frühzeitig und regelmäßig zu Mobbing gearbeitet wird, zahlt sich dies aus. Dennoch bleibt es
eine Tatsache, dass jede Schule für sich mit dem Problem Mobbing umgehen und fertig werden muss – und dafür fehlen Standards. Solche Qualitätsstandards sind aber dringend nötig – am besten
deutschlandweit und verbindlich für alle Schulen. Und klar ist auch, dass es dafür Finanzierung sowie personelle und räumliche Kapazitäten geben muss.
Wie kann das konkret aussehen? Zunächst einmal sollte das Thema Mobbing fester Bestandteil aller Fortbildungen sein – vom Lehrer bis zum
Schulsozialarbeiter müssen alle auf dem gleichen Wissensstand sein. Außerdem sind Kennenlerntage für neue Klassen eine Möglichkeit, damit Gruppen sich finden und ein guter Umgang miteinander
entsteht. Darüber hinaus sollte ein Mobbing-Interventionsteam an jeder Schule Standard sein; Lehrer, die genügend Kapazitäten haben, um mit dem Phänomen Mobbing effektiv zu arbeiten. Dazu
empfiehlt es sich, zwei bis fünf Lehrer pro Schule ausbilden zu lassen. Es gibt sehr gute Methoden, mit denen im akuten Fall gearbeitet werden kann, etwa der No-Blame-Approach, ein Lösungsansatz
ohne Schuldzuweisung und Bestrafung, bei dem Auswege aus der Gruppe heraus entwickelt werden. Oder die Farsta-Methode, ein Ansatz, bei dem die Mobbenden mit ihrem Handeln konfrontiert
werden.
Die Schulen stehen in der Verantwortung, den Mobbing-Prozess aufzulösen und den Opfern zu helfen
Regelmäßige soziale Trainings in den Klassen – auch durch externe Trainer – sind ebenfalls eine sinnvolle und fruchtbare Investition, um zu
sensibilisieren und den Klassenzusammenhalt zu stärken. Anonyme Fragebogenaktionen können den Lehrkräften und der Schulleitung helfen herauszufinden, ob es akute Mobbing-Fälle gibt und ob jemand
auf diesem Weg um Unterstützung bittet. Denn Mobbing ist von den Mobbenden so inszeniert, dass es die Lehrer nicht mitbekommen sollen. Deswegen ist es auch für die Lehrer nicht immer einfach,
Mobbing zu erkennen. Und in nicht wenigen Fällen wird Mobbing sogar durch Lehrer unbewusst verstärkt.
Eine weitere wichtige Hilfe sind Schulsozialarbeiter, die es aber leider an vielen deutschen Schulen gar nicht gibt. Oder sie sind mit einem so
geringen Stellenschlüssel für mehrere Schulen unterwegs, dass sie kaum präsent sind und nicht wahrgenommen werden. Um Mobbing ernsthaft entgegenzutreten, müssten Schulsozialarbeiter
flächendeckend eingesetzt werden. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, Mobbing zu bekämpfen. Kinder haben ein Recht darauf, dass alles getan wird, um sie zu schützen.
Mobbingprävention und Mobbingintervention dürfen keine Tagesveranstaltungen bleiben.
04.02.2019 Der Bericht von Keupp und Mosser zur Aufarbeitung des Missbrauchs an der Odenwaldschule in der Wochenzeitung "Die Zeit" setzt ganz neue und wichtige Akzente. Erschreckende Parallelen von Collegium Josephinum und Odenwaldschule. Was heißt Prävention an einer "failed school"?
Der Bericht/ das Buch von Keupp/Mosser ist deshalb so aufschlussreich, weil man in der Tat an entscheidenden Stellen OSO durch CoJoBo oder AKO oder durch den Namen einer anderen betroffenen
Schule ersetzen kann.
Wir zitieren nur wenige Sätze:
"Die Schule verkam... zu einer narzisstisch überhöhten Institution, in der die Mitarbeiter zur
Selbstüberschätzung neigten."
"Eine externe Schulaufsicht, die hier hätte gegensteuern müssen, griff nicht ein."
Gründe für das tatenlose Zusehen der Lehrkräfte: "... das mangelnde Wissen über sexualisierte
Gewalt..."
"... die Abhängigkeit der Lehrer von Schule und Schulleitung..."
"...der unkritische Glaube an die 'heile Welt' der ...Schule"
"...die Befürchtung, dass eigene Freiräume eingeschränkt werden könnten, wenn man die Arbeit des
Kollegiums zu kritisch beleuchtet."
Eltern: "...von der Reputation der ...Schule geblendet..."
Wenn diese beschriebenen Umstände bekannt bzw. erforscht sind und an verschiedenen Schulen so waren (und schlimmstenfalls noch sind?), dann ist es fahrlässig, nichts daran zu ändern durch
radikale Veränderungen in den Grundstrukturen einer Schule. Nicht nachvollziehbar ist, wie oft dem immer noch der unkritische Glaube an die 'heile Welt' der ...Schule" entgegensteht, wie noch
immer Worte fallen können wie: "Bei uns kann das heute nicht mehr passieren", "Wir sind heute ganz anders aufgestellt", "Wir haben doch nicht mehr die 60er Jahre, auch nicht die 70er", "Das alles
ist lange her, die Täter waren aus dem Orden. Die Schule hat damit nichts zu tun."
In unseren Gesprächen über Prävention am Josephinum im vergangenen Jahr haben wir jedes der oben genannten Ergebnisse (ohne sie von Keupp zu kennen), fast jedes dieser Worte ausgesprochen. Stand
heute sieht es eher so aus, dass die Mitarbeit der Betroffenen an einem den Schulalltag durchdringenden Präventionskonzept von Schulseite unerwünscht ist. Obwohl wir vom Orden mit der Mitwirkung
beauftragt waren, obwohl wir ein 19seitiges Papier zum vorliegenden Entwurf eines Präventionskonzeptes vorgelegt haben (oder weil wir?) - übrigens durchaus wohlwollend und die vorliegende Fassung
würdigend, wenn auch an vielen Stellen kritisch ergänzend - hat die Schule ihr Konzept ohne weitere Rückmeldung an uns dem Erzbistum zur Prüfung vorgelegt. Wir gehen davon aus, dass von dort nun
ein zeitnahes Testat der Schule bescheinigt, dass mit der Prävention alles in Ordnung ist. Papier ist bekanntlich geduldig oder besser gesagt, es erduldet viel oder auch alles. Da dem Erzbistum
unseres Wissens unsere Vorschläge und Kritik nicht vorliegen, ist eine positive Rückmeldung von dort durchaus erwartbar. Danach wird es dann wahrscheinlich heißen: "Was diese sog. Betroffenen
auch immer zu meckern haben! Wir haben Recht, von Anfang an. Das Testat ist der Beweis!" Winkelzüge, wo Gesprächsbereitschaft und aufrichtige Auseinandersetzung angesagt wäre. Wenn es etwas gibt,
was diese Schule braucht: dann unbedingte Sicherheit für jeden Schüler. Und nur darum geht es. Dass man das verstanden hätte, davon sind wir nicht überzeugt. Stattdessen sind wir sind in unserer
Besorgnis bestärkt. Eine bittere Erfahrung 2019.
Man kann es auch so sehen: Das Erzbistum Köln richtet einen Betroffenenbeirat ein. Die katholische Schule "Collegium Josephinum" richtet den Betroffenen aus: Mitarbeit
ist keinesfalls erwünscht.
16.01.2019 Missbrauchsopfer werden allen Beteuerungen zum Trotz allein gelassen
Nachfolgend ein aufschlussreicher Artikel bzw. eine aufschlussreiche Sendung des Deutschlandsfunks zur Entschädigungsfrage. Schwer verdaulich für die, die an ein Umdenken der Kirche glauben, eine
bittere Bestätigung für alle, die immer schon daran zweifelten, dass Kirche sich ändern könne. Die Hürden für irgendeine Entschädigung, die man vielleicht angemessen nennen könnte, sind für fast
alle Opfer unüberwindbar. Bitter, wie sehr das, was ein Gewaltverbrechen ist, weiter beschönigt wird.
Dass es im Anschreiben zur Zahlung in Anerkennung des zugefügten Leids keine Entschuldigung gibt, spricht für sich. Wir vom Verein der Missbrauchsopfer MoJoRed sind dennoch der Auffassung, dass
jeder, der Opfer geworden ist, wenigstens den Antrag auf diese Zahlung stellen sollte. Ist nämlich die Zahlung erfolgt, führt es beim ehemaligen Opfer in der Regel dazu, dass er sich nicht mehr
als "Geschichtenerzähler" fühlen muss- so jedenfalls unsere Erfahrung. In keinem Fall ersetzt aber die "Zahlung in Anerkennung des Leids" (durchschnittlich um die 5.000,00€) die individuelle
Entschuldigung und Entschädigung.
Der Artikel wirft auch noch einmal ein besonderes Licht auf die auch in den Internaten der Redemptoristen ausgeübte Gewalt und die Erniedrigungen, denen Kinder ausgesetzt waren.
16.11.2018 Täterstrategien Faszination und Geld: Zauberpater L. und Zirkuspater Schönig. Pater Heinz- Peter Schönig, bekannt als der Zirkuspater, hat sich ebenfalls des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht.
Es ist schon auch deprimierend, wenn "Lichtgestalten" der Kindheit als Verbrecher entlarvt werden. Auch wir Opfer wehren uns innerlich dagegen, wenn einer unserer Idole, mit besonderem Charisma
versehen, durch Verbrechen das Leuchten in unsren Augen zum Erlöschen bringt.
Wie uns kürzlich mitgeteilt wurde, gilt das nach dem Zauberpater L. aus dem Orden der Redemptoristen auch für den vielleicht noch berühmteren Zirkuspater Heinz- Peter Schönig aus dem Orden der
Pallotiner.
Pater Schönig ist allen Internatsschüler bestens bekannt, insofern wir alljährlich einen der großen Zirkusse, die in Bonn gastierten, besuchen durften. Das hat Pater Schönig zusammen mit Pater
Welzel für uns organisieren können. Als Gegenleistung gestalteten wir Internatsschüler bzw. ein Teil von uns ein feierliches Hochamt im Zirkuszelt mit Chor und Messdienerei oder umrahmten die
feierliche Trauung eines artistischen Hochzeitpaares. Heute müssen wir bitter fragen, ob es auch andere Gegenleistungen durch Ministranten gegeben hat außer dem "Dienen" in der Messe.
Missbrauch von Kindern auf dem Hintergrund besonderer Zuwendung und besonderen priesterlichen Engagements und Charismas zu organisieren, erscheint als einer der Täterstrategien, die besonders
erfolgreich sind. Eine Täterstrategie, die auch noch Jahre später wegen der ausgeübten besonderen Faszination durch den Täter vom Opfer kaum als solche entlarvt werden kann. Besonders bei diesen
scheinbaren Lichtgestalten hält sich in uns ein ungläubiges Kopfschütteln, dass dieser oder jener Täter war- das gilt sogar für die, die von sich wissen, dass sie selbst Opfer waren. In der Folge
sind Übergriffs- Meldungen gerade in diesen Fällen besonders selten.
Pater Schönig wurde in den 50er Jahren von Papst Pius XII. zum Zirkuspater berufen. Er verstarb 2003. Der Pallotinerorden hat unseres Wissens bisher 1 Opfer offiziell anerkannt. Weitere Opfer
werden vermutet.
Der aus Deutschland stammende Pallottinerpater P. Heinz-Peter Schönig borgte sich immer Ministranten von der Pfarre Breitenfeld in der Wiener Josefstadt für seine Zirkusmessen aus.
Dabei kam es mehrfach zu sexuellen Grenzüberschreitungen. In einem Hotelzimmer kam es 1972 während eines Beichtgesprächs zu einem offenen Verführungsversuch getarnt als Massagespielchen
gegen über Michael Tfirst.
Tfirst wollte über seinen Wunsch Priester zu werden reden und dass er gerade erfahren habe, dass er ein Adoptivkind seines leiblichen, tiefgläubigen Großvaters sei und was dieser mit seiner
leiblichen Mutter anstellte. Zirkuspater Schönig starb an einem Herzinfarkt, als Michael Tfirst 2002 im Zuge einer Sammelklage in Österreich gegen Kirchenleute (Verfahren um Erzbischof
Groer) vor Beginn der Gerichtsverfahren den Namen Pater Schönig öffentlich publik machte. Tfirst hatte den Vorfall mit Pater Schönig kirchenintern schon 1972 bekannt gemacht, doch es folgten
keine Konsequenzen.
Ähnlich wie Pater L. ließ sich Pater Schönig nicht an eine Ordens- Kommunität anbinden, geschweige denn dass er Vorgaben der sog. Vorgesetzten befolgte, beide Männer wurden im Umfeld des Ordens
kaum wahrgenommen. Ähnlich wie Pater L., der sich in der Eifel einen Bauernhof kaufen und ihn aus eigenen Mitteln zu einem Jugendheim umbauen konnte, verfügte auch Pater Schönig laut einem
Bericht des Fokus über ein erkleckliches Privatvermögen.
Pater Heinz- Peter Schönig führte ein Leben unter Stars und Sternchen. 50.000 Kilometer pro Jahr legte der Seelsorger in Auto, Flugzeug und Bahn zurück, um sich im Auftrag des Papstes um die
Ängste und Nöte von Artisten, Schaustellern und Dompteuren zu kümmern. Seine Mitbrüder, die Pallottiner, sahen ihn kaum. 2002 nach öffentlichem Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe fesselte ein
Infarkt den 76-Jährigen ans Bett. 2003 verstarb er.
Schönig besaß durch eine Erbschaft ein Vermögen von über eine Million Euro in Wertpapieren und Gold. Das hatten seine Mitbrüder nach dem Infarkt umgehend sichergestellt. „Schönig war darüber
so erzürnt, dass er die Pallottiner aus seinem Testament streichen und stattdessen seinen Cousin bedenken wollte“, berichtete der Mannheimer Rechtsanwalt Manuel Tanck, der Schönigs Cousin
vertrat. Der Pater habe sogar einen entsprechenden Testamentsentwurf aufsetzen lassen. Einen Tag vor Unterzeichnung starb Schönig.
14.11.2018 Neuer Bericht eines Betroffenen zu Pater W. Segeroth bestätigt in kurzen Szenen zum wiederholten Mal, auf welch perfide Weise Jungen im Internat der Redemptoristen in Bonn beschädigt wurden
Der zugesandte Text wird hier leicht redigiert (Anonymisierung der Opfer, Satzkonstruktion) und zum besseren Verständnis kurz kommentiert wiedergegeben. Der Verfasser des Berichts ist der
Redaktion namentlich bekannt, will aber anonym bleiben. Er zählt nicht zu den "offiziell gezählten" Betroffenen, weil er bisher weder zum Orden noch zum Missbrauchsbeauftragten Vertrauen gefunden
hat, um an diese zu berichten:
"In allen Jahrgangsstufen war ich für die Bibliotheken verantwortlich, aber immer nur als zweiter, weil W.S., mir nicht getraut hat. Viele Nächte lang habe ich die Bibliotheken geordnet,
katalogisiert, die ramponierten Exemplare repariert, wieder lesbar gemacht und eingebunden. Ich will nicht klagen, weil ich das gerne gemacht habe. Aber Dank? Niedergemacht hat er mich bei einer
seiner Zurechtweisungen und ich solle mir bloß nicht einbilden, für die Gemeinschaft etwas geleistet zu haben.
Seine Art, das Selbstwertgefühl von uns zu zerstören, hatte Methode. Es war beschädigt, bevor es sich entwickeln konnte.
Ist das auch ein Grund, warum sich Opfer aus solchen Beziehungen noch lange Zeit schuldig fühlen?
Jeden nieder zu machen mit seinem Geschrei, der zum "Grinsen" das Gesicht verzog, ihn am liebsten vor der versammelten Mannschaft zu nötigen, ihm auf der Stelle den Grund für die Heiterkeit
zu nennen, war für alle, aber besonders das Opfer, beschämend. Und wie er unseren Mitschüler C. M., der unter Stress seine Gesichtszüge nicht wie andere in der Gewalt hatte, wegen seines
"Grinsens" fertig machte, war eine schlichte Sauerei. Die Mimik war weder ein Lächeln noch ein anderer Ausdruck von Freude sondern zumeist das Gegenteil.
Nur einer, A., grinste nicht, er wurde freundlich gefragt, warum er "lächeln" würde. Dies habe ich für mehrfache Situationen in Erinnerung. Ich fand das einfach zum Kotzen.
Ich erinnere noch, als wieder einmal in einer "Geistlichen Anleitung" oder wie auch immer die kollektiven Gehirnwäschen genannt wurden, er außer sich bellte: "Wir sind hier nicht in
Kölnstraße 415 (CoJoBo) sondern in Kölnstraße 208 (die psychiatrische Landesklinik, im Jargon Irrenanstalt)". Normalerweise wäre das eine Kabarett- Nummer zum lauten Loslachen gewesen,
aber, wir, die dressierten Äffchen, haben mit geschlossenen Gesichtern verharrt.
Irrsinnig, wie er beliebte, uns über die verdorbene Schlagermusik zu belehren. Irgendeine nichts sagende weibliche Trällerei hat er für eine "Geistliche Anleitung" zum Anlass genommen, uns zu
belehren. Dieses Geschwätz habe ich damals schon als großen Quatsch empfunden. Aber: gegrinst habe ich nicht; für solche Situationen habe ich mein Ruhegesicht.
Und: wenige Wochen nach seinem Rausschmiss ist er zu Frl. Hohnfehlmann gefahren und hat ihr erklärt, die Gerüchte, die über ihn im Umlauf wären, seien frei erfunden. Ich habe diese
freundliche Frau einige Jahre später per Zufall getroffen, eher hat sie mich getroffen, und sie wollte wissen, was sie nicht glauben sollte.
Und wiederum in einer "Geistlichen Anleitung": er holte Pornohefte triumphierend hervor, die er angeblich bei einem Mitschüler unter dem Kopfkissen gefunden hatte (was hatte er eigentlich
dort zu schnüffeln?). Er zeigt uns unsere und der Welt Verderbtheit.
Als er mich wieder einmal einer peinlichen Befragung unterzog, bei der ich auf das äußerste angespannt war, nur nichts Falsches zu sagen, habe ich mit den Beinen heftig gezittert. Damals
wusste ich schon warum, habe es allerdings verdrängt, verlogen oder was auch immer.
Und sofort wollte W.S. den Grund wissen: ich habe doch sicherlich nicht Angst vor ihm - Natürlich nicht! - Warum denn? Wovor ich Angst habe, hat er gebohrt. Weil mir auf die Schnelle nichts
Anderes einfiel, habe ich geantwortet: ich hätte Angst vor mir selbst.
Das war so ein schönes Ergebnis, dass er das abends bei der "Geistlichen Anleitung" mit Namensnennung präsentierte."
Kommentar:
Was der Autor "Geistliche Anleitung" nennt, hieß in Wirklichkeit "Betrachtung" (geistlich) und "Ordnungskonferenz" (weltlich). Letztere war besonders gehasst und gefürchtet.
Die Belehrungen und Tiraden raubten den Internatszöglingen unter Segeroth viele Stunden eigentlich zustehender Freizeit.
Der inkriminierte Schlager war "Adelheid schenk mir einen Gartenzwerg" von Billy Sanders (https://www.youtube.com/watch?v=WTAIh2IVS1c), später gecovert von den Jakobsisters und Tony Marshall. Wir wurden "aufgeklärt", dass die
Gartenspritze und andere Worte im Schlagertext Synonyme für versteckte sexuelle Anspielungen seien. Im Übrigen tat der Teufel in allen Schlagern sein böses Werk und versteckte vornehmlich in
ihnen verderbliche sexuelle und antikirchliche Botschaften.
Fräulein Hohnfehlmann war die erste weibliche Präfektin im Internat und den Kindern so zugetan, dass sie ihr Amt schon nach einem Jahr wegen mangelnder Unterstützung durch die Internatsleitung
aufgab.
14.11.2018 Stellungnahme Betroffeneninitiative Missbrauch in Ahrensburg (MiA) zum Vorstoß der Ev. Kirche in Deutschland, sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche aufzuarbeiten (vorgestellt von Bischöfin Kisten Fehrs auf der 5. Tagung der 12. Synode der EKD vom 11. bis 14. November 2018 in Würzburg)
14.11.2018 Update zur Gemeinsamen Stellungnahme von Betroffenengruppen (3. Juli 2018) zum 3. Öffentlichen Hearing „Kirchen und ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs am 27. Juni 2018 in Berlin
Die Aktivitäten der Aufarbeitungskommission, des Sonderbeauftragen und der Betroffenenvertretungen kommen nach unserem Eindruck in die Phase, in der sich ein Erfolg oder Misserfolg aller
bisherigen Bemühungen abzuzeichnen beginnt. Aus Sicht der Betroffenen gibt es wenig Anlass zu Optimismus, das hat uns das 3. Hearing leider erneut anschaulich erfahren und erleiden lassen. Wenn
das Ganze nicht zu einem erneuten Desaster für die Betroffenen werden soll, müssen die Weichen jetzt noch einmal neu gestellt werden. Wir haben das Gefühl, ohne den benötigten Impuls könnten wir
uns mit Veranstaltungen, Tagungen etc. nur noch im Kreis drehen.
Die Kirchen genießen in unserem Gemeinwesen Privilegien, die in die Überlegungen einbezogen und gegebenenfalls überprüft werden müssen, wenn die Kirchen die von ihnen erwartete
Kooperationsbereitschaft und gesellschaftliche Solidarität auf Dauer vermissen lassen.
1. Wo stehen wir mit dem politisch-institutionellen Bemühen um Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs und bei der Aufarbeitungskooperation mit den Kirchen?
Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass stets nur dann Fortschritte erreicht werden konnten, wenn Öffentlichkeit hergestellt wurde und öffentlicher Druck entstand. Alles Zureden,
Vorschlagen und Einfordern hat in der Substanz und im Wesentlichen zu nichts geführt. Die Kirchen reagieren auf die Erwartungen und das Hoffen der Betroffenen auf Anerkennung und wirksame
Entlastung vor allem mit neuen Präventionsprogrammen. Damit können vielleicht (im besten Falle) künftig neue Taten verhindert werden, zu einer Kompensation der bisherigen Taten tragen sie nicht
bei. Nach Jahren der Bemühungen um Aufarbeitung hat sich der Eindruck verfestigt, dass die Kirchen kaum mehr als wohlfeiles Reden zur Wiedergutmachung einzusetzen bereit sind. Das ist uns zu
wenig.
Darüber hinaus sieht es heute leider so aus: Die Kirchen haben die Verantwortung für die früheren Taten aus ihrer Mitte noch immer nicht voll übernommen, da erleiden viele Betroffene von damals –
im hier und heute – abermals übergriffiges und sie massiv schädigendes Verhalten durch Kirchenangehörige. In den Aufarbeitungsprozessen seit 2010 sind durch die Unprofessionalität, Abwertung und
das Fehlverhalten von Kirchenverantwortlichen neue Schäden entstanden, die von zahlreichen Betroffenen als genauso schrecklich erlebt werden wie die Ursprungstaten, von nicht wenigen sogar als
noch gravierender.
Der Vortrag all dessen im Hearing führt zu keinen nennenswerten Reaktionen oder substanziellen Zugeständnissen der Kirchenvertreter. Die Betroffenen legen einmal mehr ihr Leid, ihre Ohnmacht und
ihre Verletzlichkeit bloß - und die Kirche ist sprachlos vor Scham (!). – Wir hören von Bischöfin Fehrs ein Statement, das sie ziemlich wortgleich schon 2011 gehalten hat (und seitdem alle paar
Wochen). „Als evangelische Kirche müssen wir Verantwortung dafür übernehmen, dass wir Schuld auf uns geladen haben.“ (Bischöfin Fehrs, Pressemitteilung der EKD vom 28. Juni 2018) (2).
Da muss nach acht Jahren doch mal ein Entwicklungsprozess einsetzen!
Viele Betroffene haben jetzt drei Phasen der Erniedrigung und Entwürdigung erlebt: 1) die oftmals lange zurück liegenden sexuellen und/oder gewalttätigen Übergriffe; 2) den Eintritt in die
individuelle Aufarbeitungsphase; 3) das was wir aktuell miteinander versuchen: die Phase der lobbyistischen Interessenvertretung für die Betroffenen. In jeder dieser Phasen hatten/haben die
Betroffenen Anlass, sich gedemütigt zu fühlen.
2. Was können wir jetzt noch erwarten? – Was sind unsere Forderungen?
Die Bundesregierung hat mit der Etablierung eines Beauftragten und einer unabhängigen Aufarbeitungskommission ermöglicht, dass diese Bestandsaufnahme quasi mit dem Dienstsiegel der Behörde
amtlich gemacht wurde. Wenn die Bundesregierung die ehrlich erworbene Glaubwürdigkeit nicht einbüßen will, muss sie jetzt Maßnahmen ergreifen oder zumindest initiieren, die über das allgemeine
Kopfschütteln und die Betroffenheitsrhetorik hinausgehen.
Die Aufarbeitungskommission kommt in die Bewährungsprobe und muss zeigen, wie unabhängig sie wirklich ist. Was gar nicht so einfach ist, wenn Christine Bergmann als allgegenwärtige graue Eminenz
auch auf dieser Veranstaltung so hyperpräsent ist und in den Diskussionen u.a. einzelne Opfer der Kirchen drängt, sich in ihren Statements kürzer zu fassen. Frau Bergmann tritt in einer der
Neutralität verpflichteten Rolle auf, tatsächlich muss sie aber der evangelischen Kirchenszene und Interessenssphäre zugerechnet werden. Sie ist der evangelischen Kirche seit jeher aufs engste
verbunden und hatte dort regelmäßig verschiedenste Ämter und Funktionen inne. Bevor sie die erste Beauftragte für sexuellen Missbrauch wurde (2010/11), war sie jahrelang Mitglied der
Kirchenleitung einer der evangelischen Landeskirchen (3).
Es bestehen Zweifel, ob Frau Bergmann in der Sache der Missbrauchsbetroffenen im kirchlichen Bereich über ausreichend persönliche Unabhängigkeit verfügt und gegenüber den Kirchen etwas beitragen
kann. Eine tiefe Verunsicherung empfinden wir weniger aufgrund früherer Bezüge, als vielmehr dadurch, dass diese nicht offen gelegt wurden: Der Lebenslauf von Frau Bergmann auf der Internetseite
der Aufarbeitungskommission weist für die betreffenden Jahre eine Lücke auf.
Übrigens gibt es auch in dem Wikipedia-Artikel über Christine Bergmann (https://de.wikipedia.org/wiki/Christine_Bergmann) (und auf der Website der Partei, der sie angehört) keinerlei Hinweis auf ihre kirchlichen
Verbindungen. Sicherlich ein Zufall, vielleicht kann das gelegentlich mal jemand der Vollständigkeit halber ergänzen. Wir hoffen, dass es nicht an dem Einfluss von Frau Bergmann liegt, wenn sich
der Eindruck vermittelte, dass die evangelische Kirche bei den politischen Aktivitäten der letzten Jahre tendenziell geschont wurde. Die Betroffenen von sexuellem Missbrauch reagieren sehr
sensibel auf mögliche Manipulationsversuche.
Unsere sehr spezifischen Bedenken bitten wir, nicht als allgemeinen persönlichen Angriff auf Frau Bergmann zu verstehen. Die hohen Verdienste von Frau Bergmann für Betroffene von sexuellem
Missbrauch bleiben unbestritten, sie verdienen und finden unseren Respekt und Dank.
Wir fordern:
Wenn die Kirchen nicht bereit sind, unabhängige Anlaufstellen im Wirkenskreis der Kirchen zu schaffen, muss das der Staat übernehmen. Die Kosten sind von den betroffenen Täterorganisationen (4)
zu tragen. - Sollte die Kirchen dem zuvorkommen wollen und doch noch für unabhängige Anlaufstellen sorgen wollen, so muss die Unabhängigkeit staatlicherseits eng geprüft werden.
Vielleicht ist es sogar grundsätzlich die bessere Alternative, wenn der Staat die Organisation übernimmt. So oder so bedarf es der Erklärung der Kirchen, die Kosten zu übernehmen. Der Staat
könnte vielleicht eine Vorfinanzierung erbringen, die Gesamtkosten würden schließlich anteilig auf die belasteten Einrichtungen umgelegt (z.B. nach Fallzahlen). Potentielle Einrichtungen sind
Einrichtungen oder Arten/Gruppen von Einrichtungen, in denen es in der Vergangenheit zu Missbrauch gekommen war.
Was an Wiedergutmachungsleistung von den Kirchen nicht freiwillig angeboten wird, muss dann auf anderem Wege realisiert werden. – Denn das Unrecht darf nicht einfach im Raume stehen bleiben!
Wir würden zu einer Ungerechtigkeitsgesellschaft und die Opfer doppelt geschunden. Wer das Unrecht im Raume stehen lassen will, untergräbt und demoralisiert unsere Ordnung. Das ist keine
rechtliche Frage, sondern eine gesellschaftspolitische, für die ein eigenes Instrumentarium zur Verfügung steht (siehe nächster Punkt).
Es ist zu überprüfen, welche Privilegien der Kirchen in unserem Staate zurückzufahren sind, um einen angemessenen Ausgleich zu schaffen. Die auf diesem Wege beim Staat einsparbaren Mittel (aus
den bisherigen Privilegien) könnten an Betroffene und Betroffenenorganisationen ausgeschüttet werden. Das entspricht einer Art Ersatz-Staatshaftung für durch die Kirchen zu verantwortende
Schädigungen von Privatpersonen. - Die rechtlichen Voraussetzungen (Kündigung oder Annullierung von alten Vertragsgrundlagen) müssten ggf. zuerst geschaffen werden.
Für die Bewertung eines Schadens durch Missbrauch und eines Schadens durch Rahmenereignisse des Missbrauchs ist es notwendig, ein System zu Fragen von Opferanerkennungsleistung von unabhängiger
Seite und unter Einbeziehung von Betroffenen entwickeln zu lassen. Dieses darf sich nicht auf eine Sammlung von Standard-Kriterien und Standard-Erhebungsmethoden beschränken, da gleiche
Sachverhalte unterschiedlich schwere Schäden auslösen können und Betroffene vor erneuten Verletzungen und Schädigungen durch entwürdigende Befragungen zur Ermittlung ihres exakten Schadens
geschützt werden müssen. Ein solches System würde typische Schäden von Betroffenen erfassen, wie z.B. nicht realisiertes Einkommen (quantitativ) und der Verlust von Lebensqualität (qualitativ,
aber auch quantitativ), sich darauf aber nicht beschränken.
Von einer unabhängigen Kommission erwarten wir, dass die Mitglieder offen legen, wenn es intensive Berührungspunkte oder Abhängigkeitsverhältnisse mit Institutionen gibt, aus der besonders
viele Missbrauchstaten bekannt sind. Auf Inkompatibilitäten muss geachtet und reagiert werden.
3. Unter welchen Bedingungen dürfen die Kirchen damit rechnen, dass ihnen als Institutionen verziehen wird?
In dem Hearing machten die Kirchenvertreter erneut deutlich, dass sie die Betroffenen um Verzeihung bitten wollten. Allerdings, die bisher angebotenen Verfahrensschritten …
die hochrangigen Vertreter der Kirchen hören sich alle Berichte über die Taten an,
sie versinken stellvertretend für ihre Institutionen vor Scham fast im Boden,
sie überschlagen sich in nicht immer ganz stimmigen Präventivpaketen und Öffentlichkeitsmaßnahmen
und sie bitten um Verzeihung,
… müssten noch vervollständigt und in die richtige Reihenfolge gebracht werden! Dann kann das durchaus funktionieren, es sähe optimaler Weise ungefähr so aus:
Die hochrangigen Vertreter der Kirchen hören sich alle Berichte über die Taten an und alle Beschwerden über in den Aufarbeitungsprozessen erneut erlittenes Unrecht,
sie gehen dem Angesprochenen in ihren jeweiligen Institutionen nach und sorgen für eine vollständige Aufklärung der Sachverhalte und Verfehlungen,
sie treffen personelle und organisatorische Konsequenzen,
sie leisten ohne wenn und aber eine Wiedergutmachung, die sich an einem Standardrahmen orientiert,
viele Betroffene, die sich in dem Verfahren und im Ergebnis angemessen behandelt fühlen, werden vermutlich bereit sein, zu verzeihen.
Parallel entwickelte sachgerechte Präventivmaßnahmen helfen, künftig Übergriffe zu verhüten, ohne über das Ziel hinaus zu schießen.
4. Abschließende Bemerkung:
Die beiden großen Kirchen in Deutschland müssen im Zusammenhang mit den hundertefachen oder tausendefachen sexuellen Missbräuchen, die aus ihren Reihen erfolgt sind, und vor dem Hintergrund der
gewaltigen materiellen und immateriellen Schäden, die den Betroffenen daraus erwachsen sind, ihr Selbstverständnis klären: Sehen sich die Kirchen primär als betriebswirtschaftlich handelnde
Unternehmungen an, die materielle Nachteile abwehren müssen, oder primär als werteorientierte Glaubensgemeinschaften, die ihre Ideale glaubhaft vorleben wollen.
Für wie schwerwiegend sehen die Kirchen die von ihnen zu verantwortenden Schäden an? Wie stark ist das Bedürfnis der Kirchen, diejenigen ethischen Werte, aus denen sie ihren Status als
Autoritäten in moralischen und gesellschaftlichen Fragen in unserem Gemeinwesen beziehen, nicht nur zu predigen sondern – auch ohne dass es rechtlich erzwungen würde - konsequent auf sich selbst
anzuwenden?
Das müssen wir, dass sollte die Kommission bei den Kirchen abfragen, und das Ergebnis dürfen wir den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, unter denen auch viele gläubige Christen sind, zur
Kenntnis bringen.
Zu guter Letzt möchten wir unseren Dank all denen gegenüber zum Ausdruck bringen, die das Anliegen von sexuell Missbrauchten in den letzten Jahren unterstützt haben und das hoffentlich auch
weiterhin tun werden - auch wenn wir mit dieser Stellungnahme nicht für jeden bequem sein können. Denn das ist alleine den unbequemen Sachverhalten geschuldet.
Wir werden unsere kooperative Mitarbeit in den einschlägigen Initiativen und Gremien unvermindert fortführen, um unseren Beitrag zur Aufarbeitung und Lösung der bestehenden Herausforderungen und
Probleme zu leisten.
(3) „Seit ihrer Jugend ist Bergmann in der evangelischen Kirche engagiert, während des Studiums etwa in der evangelischen Studentengemeinde. Nach dem
Abschied aus der Politik war sie von 2003 bis 2008 Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. In der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) leitete sie zuletzt die Kommission, die das heftig umstrittene Familienpapier «Zwischen Autonomie und Selbstbestimmung» formuliert hat. Das Leitbild der partnerschaftlichen Familie sollte
der Maßstab für kirchliches Handeln bei der Unterstützung von Familien sein, warb Bergmann 2013 bei der Vorstellung der Orientierungshilfe.“ Quelle: https://www.ekbo.de/themen/detail/nachricht/fruehere-bundesministerin-christine-bergmann-wird-75.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=1011&cHash=fbc7b7ae31023a6001610fd2c436118f
(4) Wobei Täterorganisation vielleicht der falsche Begriff ist, solange es keine Vereine sind, die von Tätern zu dem Zweck der Taten unterhalten
werden; besser, aber immer noch unvollständig, wäre: „Tatort-Organisationen“.
Anselm Kohn und Stephan Kohn, Betroffeneninitiative Missbrauch in Ahrensburg
Astrid Mayer, Betroffene, Gemeinde Unterboihingen, Bistum Rottenburg-Stuttgart
Maren Ruden, Mitglied im Lenkungsausschuss des Ergänzenden Hilfesystems-Fonds sexueller Missbrauch, Betroffene von sexualisierter Gewalt im
Kindesalter, familiärer Kontext
Angelika Oetken, Initiative Sexualisierte Misshandlung-Betroffenenteam, Mitglied im Aktivverbund e.V., Co-Sprecherin des Betroffenenbeirates beim
Fonds Sexueller Missbrauch, Mitglied eines Gremiums der Clearingstelle des FSM, Betroffene Tatort familiäres Umfeld
Heiko Schnitzler (Vorsitzender), Jörg Heinrich (Vorstand Revision), ECKIGER TISCH, Bonn
Monika und Dr. Henning Stein, Eltern eines Betroffenen, Mitglieder am Runden Tisch zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs
Jacqueline Ehmke, Initiative Sexualisierte Misshandlung Betroffenenteam, Mitglied im Lenkungsausschuss und im Betroffenenbeirat EHS-FSM, Betroffene
Tatort Familie
Walter Hans, ehemaliges Heimkind in Hannover-Borstel und in Freistatt
Winfried Ponsens, Geschäftsführer von „MoJoRed e.V.“ (Missbrauchsopfer Josephinum und Redemptoristen), Mitglied des Betroffenenbeirats des Ergänzenden
Hilfesystems - Fonds Sexueller Missbrauch
Peter Bringmann-Henselder, Berlin, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Missbrauchsopfer und Fernseh-Journalist
Für Rückfragen stehen alle Unterzeichner zur Verfügung
28.09.2018 Bericht zum Jahrestreffen MoJoRed und Orden der Redemptoristen
Bericht folgt
27.09.2018 Jährliches Treffen mit der Ordensleitung der Redemptoristen und Jahreshauptversammlung MoJoRed
Der Termin des gemeinsamen Treffens ist wie vereinbart am Samstag, dem 6. Oktober 2018 von 11.00 Uhr bis 15.45 Uhr im Hotel am Römerturm, St. Apern Straße 32. Thema wird vor allem die Form der
gemeinsamen weiteren Aufarbeitung sein.
Im Anschluss des Treffens gegen 16.00 findet die jährliche Hauptversammlung von MoJoRed statt. Thema hier vor allem der Überblick über das Jahresgeschehen (Rechenschaftsbericht) und die Form der
Weiterarbeit mit dem Orden.
25.09.2018 Der Bonner Generalanzeiger berichtet zur Präsentation der Missbrauchsstudie und über die Pressemitteilungen von MoJoRed und Eckiger Tisch
25.09.2018 Scharfe Pressemitteilung des "Eckigen Tisches" anlässlich der Veröffentlichung des Missbrauchsberichts der Kath. Bischöfe
Hier die Pressemitteilung des "Eckigen Tisches" im Original:
Pressemitteilung zur Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich
der Deutschen Bischofskonferenz“ (MHG-Studie)
Betroffene: „Katholische Missbräuche sind das größte Verbrechen in der Bundesrepublik“ BERLIN/BONN 24.09.2018
„Das Ausmaß der Missbräuche in der katholischen Kirche muss als das größte Verbrechen in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland
bezeichnet werden. Um nichts Geringeres handelt es sich hier. Dass Ordensschulen und -heime in der Studie nicht vorkommen und deren Betroffenenzahlen nicht hinzuaddiert werden, zeigt ganz aktuell
das System der katholischen Kirche, welches in der Vergangenheit Täter intern versetzte und Verantwortliche diese decken ließ. Die Höhe der Opferzahlen und die kriminelle Energie, mit der
Verantwortliche Missbräuche vertuscht und deren Geheimhaltung über das Kindeswohl gestellt haben, findet sich in keinen anderen Institutionen, als denen im System der katholischen Kirche“, so der
ECKIGE TISCH BONN (ETB), Verein Geschädigter des Aloisiuskollegs (AKO).
„Jetzt weinen dieselben Bischöfe Krokodilstränen, die die Archive zur Aufklärung nicht ganz geöffnet haben. Dass sie nun die Deutungshoheit verloren
haben, ist ein Glücksfall. Jetzt muss der Rechtsstaat agieren!“, so der ETB.
Etwas anderes als ein robustes Durchgreifen unseres Staates, Rücktritte der Verantwortlichen und Sanktionen gegen Vertuscher dürfe nicht in Frage kommen. Wie bei anderen Kriminalfällen üblich,
müssten die Akten sichergestellt und durch unabhängige Experten ausgewertet werden, so die Forderungen der Betroffenen.
Das Aloisiuskolleg und der Jesuitenorden seien bis in die heutige Zeit Beispiele für Rhetorik, anstelle von wirklicher Aufarbeitung und Konsequenzen für das System, welches Missbrauch begünstigt
hat. Man erklärt sich selbst zum Aufklärer und blockiert Fragen, die sich mit dem System des Ordens und den Ursachen für Missbrauch beschäftigen. War nicht mal ein Erinnerungsort am AKO im
Gespräch? Stattdessen wird der Ort hunderter Missbräuche für Partys (https://www.eventlocation-stella-rheni.de/) vermietet.
Eine „besondere“ Form der Aufarbeitung? Man verkauft einerseits Wohlfühl-Katholizismus an die Kundschaft und ist andererseits bis heute nicht bereit, diejenigen Jesuiten zu sanktionieren, die
Kinder wissentlich in den Händen der Täter gelassen haben. Vertuscher sind bis heute in Leitungspositionen, in die sie befördert wurden. Verantwortliche haben stets die Karriereleiter
fortgesetzt. Was bedeutet das für die Prävention in diesem System?
Acht Jahre nach dem Bekanntwerden der Missbräuche empfinden wir Betroffenen Solidaritätsbekundungen der Funktionäre des Systems (vgl. „Wir stehen an
der Seite der Betroffenen“) als übergriffig. Allein konkrete Taten zur Offenlegung und Sanktionierung Verantwortlicher würden zählen. Da sie fehlen, ist jegliche Glaubhaftigkeit, spätestens seit
2010 verspielt worden.
Betroffene wünschen sich:
1. Lückenlose Dokumentation durch unabhängige externe Kräfte
2. Ehrliche unabhängig supervisierte Aufarbeitung mit Konsequenzen (aus 1.),
3. Extern erarbeitete und überwachte Prävention und Risikoanalysen (resultierend aus 1. & 2.)
4 Angemessene d.h. wertschätzende Entschädigung in der für Ausgleich in unseren Gesellschaft vorgesehen Währung. (Gebete, Buße, Fasten etc. sind das nicht)
Die Geschädigten des Aloisiuskollegs und der Jesuiten finden sich in dieser Studie nicht wieder, da sowohl die päpstlichen Orden als auch deren
weltliche Mitarbeiter nicht untersucht wurden. Der Jesuitenorden hat bislang auch nur einzelne Teile der Geschichte untersuchen lassen. Am AKO gehen wir von mindestens 400 Betroffenen aus, die –
wie viele andere Betroffene aus anderen kirchlichen Einrichtungen auch – bei der Schätzung der bisher eingeräumten 3677 Fälle in der MHG-Studie fehlen.
Kontakt:info@eckiger-tisch-bonn.de
ECKIGER TISCH BONN Verein Geschädigter des Aloisiuskollegs zu Bonn-Bad Godesberg e.V.
c/o Hauptstädtische GmbH | Novalisstr. 8a | D-10115 Berlin | (Tel: Bitte Email schreiben, wir rufen zurück)
Wem die Pressemitteilung als Link lieber ist, hier ist
er:
24.09.2018 Neue Meldungen zu Gewalt und Missbrauch in den Internaten der Redemptoristen - Vermisste Meldungen
Überraschenderweise melden sich noch immer weitere ehemalige Mitschüler aus den Internaten der Redemptoristen. Sie wollen in der Regel, dass zumindest der Verein der Missbrauchsopfer von
dem erfährt, was sie an Gewalt und Missbrauch erlitten haben.
Überraschenderweise melden sich bisher keine Ordensmitglieder, die ähnliches Leid erfahren mussten. Was ist das nur, das ihnen zu verbieten scheint, sich als Opfer zu melden? Wir verstehen uns
tatsächlich als offene Betroffenengruppe, die jeden aufnimmt, der Opfer geworden ist. Wir verstehen uns in keinem Fall als Feinde des Ordens, Feinde der Kirche. Auch wenn wir nicht verschweigen
wollen, dass die meisten, die Opfer geworden sind, sich von allem Kirchlichen sehr weit entfernt haben.
Es ist ja wirklich eine brennende Frage, die in unseren Augen zu selten gestellt wird: warum sich unter 14 000 katholischen Priestern bisher nur ein einziger als Missbrauchsopfer zu
erkennen gegeben hat. Es war Bruno X., Pfarrer in der Eifel, der das bereits 2000 gegenüber dem Spiegel tat.
24.09.2018 Pressemitteilung des Vereins MoJoRed zur aktuellen Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz
Stellungnahme des Vereins der Missbrauchsopfer Collegium Josephinum Bonn und Redemptoristen (MoJoRed e.V.) zur Vorstellung der Studie
„Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (MHG-Studie)
Die vor über vier Jahren von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebene Studie wird offiziell erst bei der Herbstvollversammlung der deutschen
Bischöfe am morgigen Dienstag vorgestellt. Mehrere Medien berichteten aber vorab über die Ergebnisse. Danach werden in der 350 Seiten umfassenden Studie für den Zeitraum von 1946 bis 2014
sexuelle Übergriffe an 3677 überwiegend männlichen Minderjährigen aufgelistet. Insgesamt 1670 Kleriker hätten diese Taten begangen. 4,4 Prozent aller Kleriker der deutschen Bistümer waren demnach
mutmaßlich Missbrauchstäter. Mehr als jedes zweite Opfer sei höchstens 13 Jahre alt gewesen, in jedem sechsten Fall sei es zu Formen der Vergewaltigung gekommen. Die Forscher gehen davon aus,
dass es in dem Bereich eine hohe Dunkelziffer gibt.
In einer Stellungnahme nach dem vorzeitigem Bekanntwerden der Ergebnisse hatte sich der Missbrauchsbeauftragte Bischof Ackermann
verärgert gezeigt über „die verantwortungslose Vorabbekanntmachung der Studie“. Die Vorabbekanntmachung sei „ärgerlich“ und „schädlich für die Opfer“.
Wir als Betroffenenverein begrüßen selbstverständlich diese erste große wissenschaftliche Untersuchung klerikalen Missbrauchs in Deutschland.
Wir begrüßen ausdrücklich auch die vorzeitige Veröffentlichung. Wir anerkennen, dass die Kirche weitgehend unabhängige staatlich gesicherte Wissenschaftler beauftragt hat. Wir schätzen den Mut
der Wissenschaftler, die es wagten, auch über die hinter dem Missbrauch liegenden kirchlichen Strukturen (Klerikalismus) erste Untersuchungsergebnisse zu veröffentlichen.
Trotzdem greift die Studie zu kurz, was nicht die Schuld der wissenschaftlichen Untersucher ist und was diese auch offen zugeben. Sie greift zu
kurz, weil darin die meisten Opfer gar nicht erfasst sind: diese Opfer gab es vor allem in den kirchlichen Heimen und kirchlichen Internaten zu Tausenden. Gerade hier war Missbrauch und Gewalt ab
den 50er Jahren vielfach an der Tagesordnung und blieb im Gegensatz zur „weltoffeneren“ Gemeindearbeit weitgehend unentdeckt, weil diese Institutionen allesamt geschlossene Institutionen waren.
Nichts drang damals nach außen – wenig dringt heute nach draußen. Das vor allem wegen der Scham der Opfer bis heute. Unberücksichtigt bleiben in den Untersuchungen zu Gewalt und Missbrauch im
Übrigen nicht nur die Männerorden sondern ganz besonders die Frauenorden, von denen besonders viele Erziehungsheime betreut wurden.
Die Studie greift auch deshalb zu kurz, weil ihre Ergebnisse nicht repräsentativ sind, weil Akten durch die kirchlichen Stellen vorsortiert
worden sind und einige Bistümer – auch aufgrund des Studiendesigns - nicht alle Informationen, manche Bistümer gar keine Informationen zur Verfügung gestellt haben. Aus angeblichen
Datenschutzgründen hatten die Wissenschaftler keinen freien Zugang zu den Archiven. Welche sonstige Institution in Deutschland könnte bei diesen hohen Zahlen systematisch begangener Verbrechen
wohl darauf vertrauen, dass staatliche Stellen im Auftrag des Bundestags nicht das Unterste zum Obersten kehren würden? Der Bundestag hat einen solchen umfassenden Untersuchungsauftrag zu
beschließen und die Kirchen die billige Verpflichtung, sich einem solchen Beschluss zu unterwerfen.
Bezeichnend, dass der Missbrauchsbeauftragte der Kirche Bischof Ackermann die Vorveröffentlichung als „ärgerlich“ und für die Opfer „schädlich“
bezeichnet. Noch immer ist der Umgang der Kirche mit Whistleblowern problematisch, noch immer will die Kirche gleichsam Deutungshoheit über die eigene Geschichte behalten. Wir sehen es im
Interesse der Opfer, dass der Bericht wegen der Vorabveröffentlichung eben nicht durch eine feierliche kirchliche Präsentation sozusagen in Geschenkpapier eingewickelt oder weichgespült
werden konnte, wie es u. E. der Kirche sonst so oft gelingt.
Wir fordern nach wie vor eine „unabhängige Studie mit Zugriff auf das gesamte Aktenmaterial aller Bistümer“. Es braucht:
Es braucht:
Eine zentrale Dokumentation der Missbrauchsfälle, öffentlich zugänglich
Eine Unabhängige Missbrauchs-Kommissionen, die nach Standards arbeiten
Standards für die Arbeit der Missbrauchsbeauftragten in allen Institutionen
Es braucht staatlich organisiert Ombudsmänner und -frauen für Kinder und ihre Rechte
Vorgaben für die Suche nach weiteren Opfern, wenn sich eine Gemeinde oder Institution als betroffen erweist
Die Beteiligung von Betroffenen als Experten in allen für die Aufklärung zuständigen Gremien
Es braucht
angemessene individuelle Entschädigungen für das unermessliche lebensbegleitende Leid der Opfer. Die Anerkennung des
Leids der Opfer mit durchschnittlich 5000,00€ kann nur ein erster Schritt gewesen sein
die Höhe der Entschädigung muss staatlicherseits und nicht durch die „Täterorganisation“ festgelegt werden
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen wir die Äußerungen von Kardinal Woelki, die auf den ersten Blick ermutigend erscheinen und begrüßen es,
dass er die Studie zum Anlass nimmt, eine weitere zum Kölner Bistum folgen zu lassen, „sich der Wahrheit stellen“ will und eine „externe Einrichtung beauftragen (will), die unabhängig und
umfassend unser eigenes – auch institutionelles – Verhalten auf mögliche Versäumnisse…aufarbeiten wird“. Entscheidend wird auch hier sein, wieweit und wie unabhängig die Akteneinsicht gehen wird
und wieweit Betroffene als Berater eingebunden werden.
Einen wichtigen Hinweis für eine solche umfassende Untersuchung leiten wir aus der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Collegium Josephinum
ab: es muss auch darum gehen, Vorgänge (möglichen Missbrauch) zu untersuchen, die nicht ganz so offensichtlich und nur vermittelt im Verantwortungsbereich des Bistums gelegen haben: wenn z.B.
eine Institution (Jugendheim) in einem anderen liegt aber vom Bistum Köln finanziert wird- und um die Komplexität perfekt zu machen - von einem Ordenspriester gegründet und lange geleitet wird.
Eine Konstruktion, die nicht von uns erfunden worden ist sondern Fakt ist und damit der bekannten Täterstrategie der Verantwortungsdiversifizierung entspricht. Eine Konstruktion, die so
komplex und undurchsichtig ist, dass einerseits sexueller Missbrauch des Ordenspriesters im Zusammenhang des Josephinums und verschiedener Gemeinden berichtet wird, andererseits kein einziger
Missbrauchsfall ausgerechnet da dokumentierbar wird, wo er aus den Zusammenhängen heraus besonders wahrscheinlich ist, nämlich in besagtem Jugendheim.
So positiv die Äußerungen erscheinen mögen und auch zu begrüßen sind, sie lenken doch die Öffentlichkeit davon ab, dass es endlich einen
staatlichen Untersuchungsauftrag geben muss. Es bleibt der Eindruck, dass es der Kirche auch 8 Jahre nach dem ersten Missbrauchstsunami vor allem darum geht, die Deutungshoheit zu behalten-
gewiss ein Privileg, das der Staat keiner anderen Institution einräumen würde. Verbrechen werden üblicherweise und rechtstaatlicherweise durch staatliche Organe untersucht und geahndet und nicht
durch verantwortliche Institutionen oder Personen selbst. Wirklich überzeugend, dass es der Kirche um die Opfer geht, wäre ein Statement von Kardinal Woelki, in dem er den Landtag oder den
Bundestag zur Einrichtung eines entsprechenden Untersuchungsausschusses mit weitreichenden Befugnissen auffordern würde.
02.09.2018 Offener Brief zum Stand der Aufarbeitung in der Katholischen Kirche
Der als PDF- Datei abrufbare Brief wurde auch von uns unterzeichnet. er richtet sich vornehmlich an die deutschen Bischöfe und Ordensverantwortlichen: AUFARBEITUNG SEXUELLER GEWALT DURCH
KIRCHEN-MITARBEITER/INNEN – BISLANG EINE KOLLEKTIVE RETRAUMATISIERUNG. WAS MUSS SICH ÄNDERN?
Plötzlich und unerwartet verstarb am 1.5.2018 unser Freund Hermann Vennenbernd.
Mit Hermann hat uns bereits der zweite aus dem Kreis der Betroffenen verlassen, die sich ab 2010 zusammengefunden haben, um die in den Internaten der Redemptoristen erlittene Gewalt
aufzuarbeiten. Teil dieser Gewalterfahrung war nicht immer, aber häufig sexualisierte Gewalt. Herrmann hat der Gruppe der Betroffenen von der ersten Stunde an angehört und bei keinem Treffen in
all den Jahren gefehlt.
Vehement hat er sich in den ersten Jahren für eine präzise Aufarbeitung der abscheulichen Verbrechen an Kindern in Internaten der Redemptoristen eingesetzt. Gehofft hat er dabei immer auf eine
Art wissenschaftlicher Aufarbeitung durch ordensferne Experten. Bezogen auf sein eigenes Schicksal sprach er oft über den Nebel, der noch über vielen Erinnerungsfetzen lag, an deren
Zusammenfügung er sich wohl nie so ganz heranwagte. Zu groß wird die Angst vor den Abgründen gewesen sein, die sich dadurch aufgetan hätten. Wir haben aber Anlass zu hoffen, dass ihm die
engagierte Teilnahme an unseren Treffen ein wenig innere Ruhe gebracht hat.
Am 20.4. hatte er noch seine Kur unterbrochen, um uns wenigstens nach dem offiziellen Vereinstreffen kurz im Restaurant zu sehen. Keiner hätte an dem Abend daran gedacht, dass wir uns nie mehr
wieder sehen werden. Hier noch ein paar Zeilen seiner Weggefährten aus dem Verein:
„Er war einer der Ersten, der über das Unvorstellbare im Internat der Redemptoristen in Glanerbruck „aufgeschrieben“ hat. Beharrlich und mit klarer Überzeugung kämpfte er für die
Anerkennung des Missbrauchsleids, die wir Männer und Frauen als Kinder erfahren mussten.
Er hat sein Leben im besten Sinne „gemeistert“. Auch ein Genussmensch, ein fröhlicher und freundlicher Mensch war er und musste doch noch in den letzten Jahren bereits zweimal Mal den Tod
einer Lebenspartnerin verkraften. Aber er stand auf und griff erneut das Leben.
In Erinnerung bleibt ein Mann mit Herz und menschlicher Wärme. Wir trauern um Ihn und vermissen ihn. Insbesondere fehlt er uns in Zukunft an den schönen Abenden nach erfolgreichem Wirken um
unsere Sache in den wunderbaren Kölner Kneipen. So etwas, das wir erleiden mussten, darf sich nie wiederholen, war sein Antrieb für sein Engagement.
Wir vermissen Dich.“
„Mit Hermann haben wir einen Mitstreiter verloren, der geradlinig in der Diskussion sein konnte, ohne abweichende Meinungen anderer zu diskreditieren. Sein verschmitzter Humor hat manchem Disput
die Spitze genommen.“
28.06.2018 Gelungenes Hearing der Aufarbeitungskommission beim Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung
27.06.2018 3. Öffentliches Hearing der Aufarbeitungskomission „Kirchen und ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“
Morgen am 27.06. findet von 10.30 bis 19.30 in Berlin das
3. Öffentliches Hearing der Aufarbeitungskommission beim Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung „Kirchen und ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen
Kindesmissbrauchs“
statt.
Die 1. Vorsitzende unseres Vereins und der Geschäftsführer sind beide anwesend.
25.06.2018 4. Zwischenbericht der Redemptoristen zum Sexuellen Missbrauch nach längerer juristischer Auseinandersetzung endlich erschienen
Der 4. Zwischenbericht des Missbrauchsbeauftragten der Redemptoristen zu Vorfällen sexueller Gewalt ist endlich erschienen. Ursprünglich war der Bericht schon im Januar erschienen, wurde aber vom
Orden wegen juristischer Probleme noch einmal zurückgezogen und überarbeitet.
Die juristischen Auseinandersetzungen über einen Vorfall der Grenzverletzung in den 90er Jahren und die schließliche Rücknahme der Berichterstattung darüber machen deutlich, wie notwendig es ist,
sowohl Standards und gesetzliche Regelungen für die Obleute bzw. Missbrauchsbeauftragten zu entwickeln wie auch Standards und gesetzliche Regelungen für die Berichterstattung bzw. Aufarbeitung.
Es geht nicht an, dass Missbrauchsbeauftragte oder gar Opfer und Opfervereine so leicht durch Abmahnungen juristisch eingeschüchtert werden können wie das im vorliegenden Fall offensichtlich
gelungen ist. Der Gesetzgeber ist gefragt. Wir vom Verein werden unter anderem diese Forderung morgen beim
3. ÖFFENTLICHEN HEARING der Aufarbeitungskomission „KIRCHEN UND IHRE VERANTWORTUNG ZUR AUFARBEITUNG SEXUELLEN KINDESMISSBRAUCHS“
auch zur Sprache bringen.
Bemerkenswert am vorliegenden Bericht scheinen uns folgende zwei Punkte:
der Missbrauchsbeauftragte bzw. durch ihn auch der Orden wagen sich an einen brisanten Fall aus den frühen 60er Jahren, der bereits abgeschlossen schien und durch intensive Recherche jetzt in
neuem und durchaus brisantem Licht erscheint. Ein Licht, dass vor allem das institutionelle Leitungsversagen beleuchtet und einen Fokus auf die Problematik "kollektive vs. individuelle
Erinnerung" wirft. Wird in der Regel die individuelle Erinnerung durch die kollektive in Frage gestellt, ist es hier umgekehrt: es lässt sich nun nach intensiver Untersuchung belegen, dass
die Erinnerung des Kollektivs falsch sein muss. Schon außergewöhnlich als Feststellung und mutig als Veröffentlichung.
der Missbrauchsbeauftragte bzw. durch ihn auch der Orden heben besonders hervor, wie hilfreich die Arbeit des Opfervereins im Rahmen der Aufarbeitung bisher gewesen ist. Aufarbeitung und auch
Berichterstattung darüber scheinen, so unangenehm der Blick auf Täterschaft erst auch erschienen sein mag, dem Orden heute ein wirkliches Bedürfnis zu sein. Der "Opfer"- verein gewinnt für die
Aufarbeitung von sexueller Gewalt einen offensichtlich eigenständigen Stellenwert, der hier sogar von der "Gegen"-seite gewünscht wird. Für viele Opfer sind tatsächlich wir als Verein der erste
Ansprechpartner.
Hier der Bericht als PDF- Datei:
4. Zwischenbericht zum Sexuellen Missbrauch in Einrichtungen des Ordens der Redemptoristen
17.05.2018 Der Schriftsteller Christian Kracht spricht nach 40 Jahren zum ersten Mal über erlittenen Missbrauch
Christian Kracht hat bisher ungern über seine Literatur oder sich selbst geredet. In seiner Poetikvorlesung an der Frankfurter Uni spricht er nun. Auch über
sexuellen Missbrauch, den er als 12jähriger in einem katholischen Internat in Kanada erlitten hat. Hier einige Links:
15.05.2018 Die Jesuiten schließen ihr Internat in Bonn- Bad Godesberg zum neuen Schuljahr
Überraschend schließt das Internat des Aloisiuskollegs der Jesuiten in Bonn:
Der Verein "Eckiger Tisch" der Geschädigten des Aloisiuskollegs kommentiert:
Zur Schließung des Internates des Aloisiuskollegs:
„Ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung“
BERLIN/BONN 15.05.2018. Mit dem Internat des Aloisiuskollegs schließt ein Ort des Missbrauchs, der seit den 1940er Jahren bis in unsere Tage viele hundert beschädigte Biografien erzeugt hat, mit
denen die Betroffenen heute leben müssen. „Auf den Gräbern der Missbrauchstäter, die hinter dem Schloss im Aloisiuskolleg beerdigt sind, müsste stehen: Hier ruht das Internat.“, so ein
Betroffener spontan. Die Gründe für die Schließung seien hausgemacht und in den schweren Fehlern der leitenden Jesuiten zu finden (und nicht etwa in einem Trend, der ja auch Gründe hat). „Die
Schließung ist ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung“, so der ECKIGER TISCH BONN (ETB), der Verein Geschädigter des Aloisiuskollegs. Bis in die jüngste Zeit hatten Patres oder
Mitarbeiter die Möglichkeit, Machtinseln für Missbräuche zu nutzen. Der Jesuitenorden hat die Täter und Mitwisser tolleriert - alles zur höheren Ehre der eigenen Institution. Er ist bis heute
nicht Willens oder in der Lage, die vorliegenden Untersuchungsberichte aufzuarbeiten und die richtigen Fragen für das System zu stellen oder sich beispielsweise von dem ehemaligen Rektor Pater
Schneider, als Mitwisser und Begründer der Krise des Aloisiuskollegs (AKO), öffentlich zu distanzieren.
Der ETB hat bislang erfolglos solche öffenlich sichtbaren Zeichen des AKO und des Ordens gerade auch in Richtung „konservative“ Ehemalige und Schülereltern und Sponsoren gefordert, die nun die
Asche ihres Internates begraben können.
In den letzten Jahren ist der ETB den für uns schweren Schritt gegangen und hatte dem Kolleg über Gespräche hinaus die Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung angeboten. Das Kolleg hätte zusammen mit
den Betroffenen die Chance gehabt, nach bekanntwerden des Skanals 2010, durch wirkliche Aufarbeitung der Geschichte die öffentliche Wahrnehmung nachhaltig zu gestalten. Dieses wurde in
Verantwortung des heutigen Provinzial des Ordens nicht für nötig befunden und ausgeschlagen. Die Jesuiten müssen nun ihre Unfähigkeit und das Scheitern ihrer Konzepte eingestehen. Die
Aufarbeitung ihres Systems muss nun zwingend – auch für die Schule - erfolgen und extern überwacht werden.
Das Internat war ein Tatort. Schule und Freizeitaktivtäten bleiben belastet. Es gilt weiterhin, dass Präventionsmaßnahmen, die ohne ein externe Überprüfung jederzeit durch potenzielle Täter, die
sich die massiven systemischen Mängel nutzbar machen, unterminiert werden können.
Unser Mitgefühl gilt den heutigen Schülern und Mitarbeitern, die nun auch an den Folgen der Missbräuche und des Missmanagements zu leiden haben. Wir freuen uns, dass viele Menschen positive
Erinnerungen an das Internat haben und hoffen auf deren Solidarität, wenn wir anderer Meinung sind.
Das Internat des AKO hat nun den Platz in der Geschichte, den es verdient.
Zitat: „Soweit ich das sehe, ist der Ruf eines Jesuitenkollegs überhaupt nicht kaputtzukriegen“
Ludger Stüper SJ, Jesuitenpater, Schuleiter und Missbrauchstäter, 1984
01.05.2018 Plötzlich und unerwartet ist einer unserer ersten Mitstreiter heute verstorben
Plötzlich und unerwartet ist heute unser Freund Hermann Vennenbernd verstorben. Hermann ist der zweite aus dem Kreis der Betroffenen, die sich ab 2010 zusammengefunden haben, um den in den
Internaten der Redemptoristen erlittenenen Missbrauch aufzuarbeiten, verstorben ist.Er hat dem Kreis der Betroffenen von der erste Stunde an angehört
und bei keinem Treffen in all den Jahren gefehlt.
Am 20.4. hatte er noch seine gerade begonnene Kur unterbrochen, um uns wenigstens nach dem offiziellen Vereinstreffen kurz im Restaurant zu sehen.
Keiner hätte an dem Abend daran gedacht, dass wir uns nie mehr wieder sehen werden.
Nähere Informationen finden Sie in diesem Link zu einem Trauerportal;
23.02.2018 Schutzkonzepte für Schulen- ein aufrüttelnder Artikel in der "ZEIT". Schutzkonzept am CoJoBo- Fehlanzeige? Hoffnung? Realität? Gelebter Alltag?
Das #Aloisiuskolleg in Bad Godesberg und das Collegium
Josephinum in Bonn- Auerberg haben eine Missbrauchsgeschichte seit dem Krieg. Es gibt mehrere offizielle Berichte, immer mehr Tatsachen werden bekannt,
die vor allem das Leitungsversagen in der Geschichte beider Schulen greifbar machen. Hat das CoJoBo eine tragfähige Risikoanalyse? Ist eine solche geplant? Mit einer solchen Analyse würde
überprüft, welche räumlichen Strukturen, Alltagssituationen und Abhängigkeitsverhältnisse sexuelle Gewalt gegen Schülerinnen und Schüler begünstigen können. Daraus und aus der Analyse der
Vergangenheit wären die Schlussfolgerungen zu ziehen, die eine Schule zu einem "Sicheren Ort" für Schüler und Lehrer machen. Ein sicherer Ort, der Lehrer fürsorglich und kompetent arbeiten lässt.
Rund 90 Prozent aller Schulen in Deutschland geben übrigens an, bislang keine Risikoanalyse vorgenommen zu haben.
Der Artikel in der ZEIT (Bild oben aus der ZEIT) gibt wichtige Hinweise:
Ein Zeichen, das Hoffnung macht: Orden
und Schulleitung laden Vertreter des Vereins der Missbrauchsopfer zeitnah zum Gespräch ein.
22.02.2018 Aloisiuskolleg stellt neues Schulprogramm vor. Eine Selbstvorstellung, die einmal mehr mehr Fragen aufwirft als dass sie Antworten gibt auf Strukturprobleme dieser Schule
Der folgende Kommentar ist von uns nach der ersten Veröffentlichung abgeändert worden, weil er sich auf ein Zitat des Schulleiters vom Ako bezog, das so vom Generalanzeiger nicht richtig
wiedergegeben war. Der General-Anzeiger Bonn hat seinen Artikel mit folgenden Worten korrigiert: "Im genannten Artikel könnte der Eindruck entstanden sein, der Ako-Schulleiter habe die
Formulierung „Missbrauchsvorwürfe“ gebraucht. Das ist allerdings nicht korrekt. Es war eine Formulierung der Redaktion, natürlich ohne damit irgendetwas relativieren zu wollen."
Die richtige Formulierung lautet nun: "Die Erarbeitung des Schulprogramms hat laut Sieburg nichts mit den dokumentierten Missbrauchsfällen der Vergangenheit zu tun."
Nun gibt es also das "lang ersehnte" neue Schulprogramm oder überhaupt erst eines. Schöne Worte darin. Dass dem wirklich Taten folgen, daran kann es mit Recht Zweifel geben. Hatte doch das Ako
auch schon 1960, 1990 und 2010 durchaus ein Programm- gewiss kein verschriftliches im heutigen Sinne, aber doch (hoffentlich!) einen inneren Leitfaden, einen - so nehmen wir doch an -
katholischen oder christlichen. Aber der hat sexuelle Gewalt an dieser Schule nicht verhindert, sondern wie Büntrup in "Unheilige Macht" analysiert, eher begünstigt. Also gibt es nun neue
Leitbilder und programmatische Grundsätze. Ob die helfen und den Alltag durchdringen? Daran zweifeln zu dürfen, dazu laden die Ausführungen des jetzigen Schulleiters bei der Vorstellung des neuen
Programms geradezu ein. Wenn der Lernerfolg der Schüler des Ako so mager ausfällt wie der des Herrn Schulleiters, dann soll es in der Zukunft um die Umsetzung des Programms in dieser Schule
auch eher mager bestellt sein. Muss der Schulleiter doch tatsächlich hervorheben: "Die Erarbeitung des Schulprogramms hat laut Sieburg nichts mit den dokumentierten
Missbrauchsfällen der Vergangenheit zu tun". Schade drum, würden wir sagen. Die Chance nicht genutzt, die im Versagen damals und seiner Aufarbeitung doch auch gelegen
hätte. Die Worte legen nahe, dass ein Schulprogramm dieser Schule sozusagen in aller Unschuld entwickelt werden kann, fernab aller Skepsis gegen wohlklingende und wohlmeinende Worte. Das
Schulprogramm soll also ausdrücklich nichts mit der Vergangenheitsbewältigung des Ako zu tun haben, man mag es kaum glauben. Dabei muss es doch gerade einer solchen Schule darum gehen, den Alltag
einer Schule, das Unterrichten so zu durchdringen, dass Schule ein "Sicherer Ort" wird für Schüler, dass es keine Verletzungen jedweder Art geben kann. Dazu notwendig: Fürsorglichkeit und
Kompetenz. Welchen Satz wir erhofft hätten? Ein deutliches: "Hallo! Wir haben verstanden. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt." Stattdessen ausdrückliche Verweigerung, dass der Schutz des
Einzelnen den Unterrichtsalltag prägt?
Ärgerlich die Dosis Selbstmitleid am Schluss, ist doch die Entwicklung eines Schulprogramms an allen Staatlichen Schulen eher schon lange vor Jahren vollzogen worden: "Sieburg gab zu, dass
die vergangenen Jahre manchmal anstrengend waren: „Aber es ist geschafft.“ Wir bedauern den Schulleiter ausdrücklich nicht.
Zusätzliche Klarstellung: Das Schulprogramm ist offensichtlich Ergebnis zahlreicher verdienstvoller Kommunikationsprozesse zwischen Eltern, Lehrern, Schülern, Fachleuten und Orden. An dieser
stattgehabten Partizipation gibt es nichts auszusetzen und an den vielen guten Inhalten gewiss auch nicht. Zu beklagen ist, dass die Schule die Kompetenz der ehemaligen Opfer nicht genutzt hat,
dass sie die Grundfrage nicht in den Blick genommen hat, warum das (nicht veröffentlichte christlich geprägte und sicherlich auch schon früher gut gemeinte) Schulprogramm der vergangenen Jahre
nicht wirksam geworden ist, so dass es zu sexueller Gewalt an der Schule kam und was es eigentlich an einer Schule an innerem Gerüst braucht, dass guten Worten gute Taten folgen? Dazu hätten die
Betroffenen vom "Eckigen Tisch" gewiss den entscheidenden Beitrag leisten können. Das aber war aber augenscheinlich nicht gewollt.
Zum ansonsten durchaus lesenswerten Schulprogramm des Ako:
22.02.2018 Bewegender Abschied von Engelbert Decker in Bonn
Heute nahmen Familie und Freunde Abschied von dem zu früh verstorbenen Engelbert Decker. Engelbert Decker war anonymer Mitautor des Buches "Unheiliger Berg" und steht uns besonders nah, insofern
wir Opfer vom Collegium Josphinum und die Opfer des Aloisiuskollegs eine ähnliche Geschichte teilen. Was seine Familie bei der Beerdigung sagte, rührt in uns tiefe Gefühle der Trauer und der
Sympathie an. Die Amerikanische Kirche in Bonn war bis zur Tür voller Menschen. Es gab kein Kirchenlied, kein Gebet, keinen Pfarrer. Es sangen seine Frau, Solo, und seine Töchter mit Chor.
Das wäre auch dem Verstorbenen sehr ans Herz gegangen.
Ein älterer Bruder ließ in seiner Totenrede bei einem Halbsatz kurz aufhorchen: beim Wunsch, "dass alles Ungelöste und Verschwiegene noch gelöst werde." Wir zitieren aus der Homepage
"Unheiliger Berg" von Ebba Hagenberg- Miliu die Ansprache eines weiteren Familienmitglieds:
"Du warst eines der
Missbrauchsopfer am Aloisiuskolleg.
Das hat schwere seelische Folgen gehabt, die du getragen hast.
Du hast Missbrauch auch Missbrauch genannt.
Du hast seelische Gewalt seelische Gewalt genannt.
Dein mutiges Bekenntnis möge dazu führen:
- dass Kinder in Zukunft besser vor Gewalt geschützt werden,
- dass weitere Opfer es schaffen, ihr Schweigen zu durchbrechen
- dass gerade den Kindern unter den Opfern nicht der Mund verboten wird.
Ich betrauere, dass du in der Kindheit dem Missbrauch wehrlos ausgeliefert warst.
Aber du hast in den vergangenen Jahren großen Einsatz auch für andere Opfer gezeigt.
22.02.2018 Untersuchungsergebnisse zu "Aufdeckungsprozesse bei sexuellem Missbrauch männlicher Personen" veröffentlicht.
So sperrig der Titel des Buches- so aufschlussreich aber das, um was es geht. Wir zitieren aus der Verlagsmitteilung: "Männliche
Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend stehen aufgrund von gesellschaftlich vorherrschenden Männlichkeitsanforderungen vor spezifischen Herausforderungen, wenn sie ihre
Gewaltwiderfahrnisse aufdecken (wollen). In diesem Band wird auf Basis von Interviews mit Betroffenen und an Aufdeckungsprozessen Beteiligten der Frage nachgegangen, was männlichen Kindern
und Jugendlichen dabei hilft, sexualisierte Gewaltwiderfahrnisse aufzudecken."
Aufdeckungsprozesse männlicher Betroffener von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend.
Verlaufsmuster und hilfreiche Bedingungen
Herausgeber: Rieske, Th.V., Scambor, E., Wittenzellner, U., Könnecke, B., Puchert, R. (Hrsg.)
22.02.2018 Wir schließen uns der Stellungnahme des Betroffenenbeirats "Fonds sexueller Missbrauch" zum Koalitionsvertrag an.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD sind auch Ausführungen zu unserem besonderen Thema zu finden. Hier die Stellungnahme des Betroffenenbeirats, dem auch Mitglieder von MoJoRed e.V.
angehören:
Betroffenenbeirat EHS-FSM
c/o Angelika Oetken
Borgmannstraße 4
12555 Berlin
Unsere Einschätzung zum Entwurf des Koalitionsvertrages vom
7.2.2018
Im Folgenden einige Anmerkungen zu Punkten, die uns im Hinblick auf den Schutz
von Kindern und Jugendlichen und Hilfen für Opfer wichtig erscheinen, Quelle:
21.02.2018 Missbrauch in der Katholischen Kirche- Artedoku
Bis zum 21.3. 2018 ist auf Arte folgende neue Doku aus der Mediathek abzurufen: "Hinter dem Altar. Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche". Erneute Originalausstrahlung am 23.02.2018
um 9.25
21.02.2018 Neuausrichtung: Aloisiuskolleg in Bad Godesberg stellt eigenes Schulprogramm vor
Das altehrwürdige, aber auch krisengeschüttelte Aloisiuskolleg stellt zum ersten Mal ein eigenes Schulprogramm vor. In diesem Schulprogramm werden auch Leitgedanken umgesetzt, die wir für das
Collegium Josephinum dem Schulträger vorgeschlagen haben. Das ist gewiss eine nicht zu unterschätzende Leistung. Aber: die ehemaligen Missbrauchsopfer bzw. der Verein Eckiger Tisch waren bei der
Entwicklung des Programms nicht beteiligt. So drängt sich der Verdacht auf, dass es hier auch sehr um die gute Schlagzeile ging und davon abgelenkt werden soll, dass die Aufarbeitung der Fehler
der Vergangenheit weitgehend als gescheitert angesehen werden muss- so jedenfalls die Stellungnahme des Eckigen Tisches in Bonn.
Bittere Stellungnahme des Eckigen Tisches auf Facebook: "Wer so stolz auf sich ist, der
braucht auch die Fehler der Vergangenheit gar nicht mehr aufarbeiten."
20.02.2018 Fussballscout und Jugendtrainer von Manchester muss wegen sexuellen Missbrauch in den 70er bis 90er Jahren für 31 Jahre ins Gefängnis
Ein bemerkenswertes Urteil in England. Dort gelten nicht die kurzen Verjährungsfristen (Warum gibt es die überhaupt noch bei Missbrauch?) und die vergleichsweise große Milde des deutschen Rechts
(Wann werden die Bundestagsabgeordneten wach?).
Hierzu ein bemerkenswert guter Bericht im Spiegel. Vieles in diesem Artikel erinnert an das Schicksal vieler Opfer des Paters W. S. in Bonn. Der Täter in Manchester nutzte wie Pater S. über Jahre
seine Macht, die er über die Jugendlichen wegen ihrer Zukunfts- Hoffnungen (hier Fußballprofi, dort Studium und Priesterweihe) hatte, skrupellos aus. Die Opfer schwiegen bis 2016. Seine
Verurteilung "befriedet" offensichtlich wenigstens in Teilen die Opfer. In Deutschland scheint der sog. Rechtsfrieden, den die Täter über die Verjährungsfristen in der Regel erlangen, noch
immer wichtiger als der der Opfer.
11.02.2018 Mitautor des Buches "Unheiliger Berg" und Mitkämpfer für Prävention und Kinderschutz Engelbert Decker verstorben
Engelbert Decker starb zu früh. Sein Tod bewegt uns sehr.
General-Anzeiger Bonn
BAD GODESBERG S. 28
Montag, 19. Februar 2018
Ein Leben für die Medizin und die Bühne
Am 11. Februar verstarb der Sänger, Rezitator und Arzt Engelbert Decker im Alter von 69 Jahren
Der Sänger Engelbert Decker.FOTO: FROMMANN
VonEbba
Hagenberg-Miliu
Bad Godesberg.Bad Godesbergs Kulturszene trauert um Engelbert Decker. Am 11. Februar verstarb
der beliebte Sänger, Rezitator und Arzt mit 69 Jahren. Decker war eine Instanz bei hiesigen Kulturveranstaltungen: Das Sommerprogramm der Parkbuchhandlung bestritt er mit seinen begeisternden
Lesungen im Alleingang. „Auch diesen Sommer wollten wir drei Abende gestalten: über Irmgard Keun, Theodor Storm und über Mystik“, sagt Barbara Ter-Nedden, Inhaberin der Buchhandlung. Auch
Literaturexperten hätten Deckers immer ausgefeilte Dramaturgie geschätzt. Mit Wehmut erinnert sich Ter-Nedden, wie er auch bei einem plötzlichen Ausfall spontan half: „Er sprang mit einem
Heinrich-Heine-Abend ein, eine wahrhafte Sternstunde.“
Decker konnte mitreißen, er liebte es, im Gespräch plötzlich mit
inbrünstig gesungenen Liedzitaten zu überraschen. Dabei hatte der Radiologe à la Faust „zwei Seelen, ach, in seiner Brust“: Morgens in seiner Arztpraxis und abends auf der Bühne. Bei seinen
Auftritten schaffe er es dann, das Bedrückende seiner Tumorambulanz mit künstlerischer Leidenschaft abzustreifen und das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Wenn es still werde im Raum und das
Licht auf ihm und seinem Pianisten fokussiert sei, wenn die Zuhörer dann schließlich klatschten, „dann habe ich ins Schwarze getroffen. Dann bin ich zu den Herzen vorgestoßen“, sagte Decker im
Gespräch mit dem GA.
Als Sohn eines Godesberger Kinderarztes hatte er nach dem Abitur
Opernsänger werden wollen. Auf Wunsch des Vaters studierte er jedoch Medizin. Das Gesangsstudium schloss er an und lernte dabei seine spätere Ehefrau Tomoko Takami kennen. Decker wurde zweifacher
Familienvater und Großvater. Zeitweise praktizierte er auch im Waldkrankenhaus. Nebenbei war er als Bass mit seiner Frau zu Konzerten unterwegs. Abschied von dem Verstorbenen wird am Donnerstag,
22. Februar, 10.30 Uhr in der Stimson Memorial Chapel, Kennedyallee 150, genommen. Es folgt die Urnenbeisetzung im Mausoleum von Carstanjen.
07.02.2018 Der Schweizer Schriftsteller Hürlimann erinnert sich in der NZZ an seine Internatszeit der 60er im Klosterinternat Einsiedeln.
Der Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann erzählt Peer Teuwsen von der NZZ, wie er als rebellierender Jugendlicher im Kloster einen Atheisten-Club ins Leben
rief, während der Messe Nietzsche las und gelegentlich auch die morgendliche Weckzeremonie manipulierte: "Wir baten ihn, mal was anderes zu spielen, und gaben ihm eine Plattenhülle von
Mozart, worin aber die Rolling Stones steckten. So erklang in den Schlafsälen um sechs Uhr früh 'I can't get no satisfaction'. Das war ein erstes Sturmsignal. Heute denke ich an diese Zeit
mit Nostalgie zurück. Wir hatten eine harte Wand, gegen die wir anrennen konnten. Die Jugend von heute hat es schwerer, sie stößt auf eine Watte von Verständnis."
Wir stellen uns wie so oft die Frage: was führt dazu, dass der eine sich an die Enge der Juvenats- bzw. Internatszeit mit verklärender Nostalgie erinnern kann, der andere nur Wut und Bitterkeit
empfindet? Ein wenig beschleicht einen bei Hürlimann allerdings der Eindruck, dass er jede Empathie in sich selbst ganz unbedingt vermeiden will. Eine mögliche Erklärung, dass es nämlich dort
sexuelle und rohe Gewalt nicht gegeben habe, fällt übrigens aus. Genau zu dieser Zeit, in der Hürlimann das Internat besuchte, gab es wohl die meisten gemeldeten Übergriffe.
Wir lernen: Nostalgie und Verklärung können offensichtlich eine Form der Erinnerung sein, auch wenn das Erinnerte eher als eng und bedrückend beschrieben wird. Ist anekdotische Erinnerung
immer nostalgisch?
06.02.2018 BKSF und Fachverbände fordern umfassendes
Programm von neuer Regierungskoalition
Wir haben uns dem Aufruf angesichts der laufenden Koalitionsverhandlungen gerne und unbedingt angeschlossen:
da CDU/CSU und SPD diese Woche die Koalitionsverhandlungen beginnen werden und sich im Sondierungspapier bisher nur wenige Ansatzpunkte für einen konsequenten Einsatz gegen sexualisierte Gewalt
in Kindheit und Jugend finden, haben wir uns zusammen mit BAG FORSA, bff, DGfPI und dem Deutschen Kinderschutzbund in einem Bündnis für den Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt
zusammengetan. Wir fordern die drei Parteien in einer gemeinsamen Erklärung auf, sich auf ein umfassendes Programm zur Unterstützung Betroffener zu verständigen.
04.02.2018 Der Orden hat seinen 4. Zwischenbericht des Missbrauchsbeauftragten aus juristischen Gründen kurzfristig zurückgezogen
Die Ordensleitung des Ordens der Redemptoristen hatte zum Beginn des neuen Jahres den 4. Zwischenbericht seines Missbrauchsbeauftragten zur
Veröffentlichung freigegeben. Der neue Provinzial Hafmans setzte damit die Tradition seiner Vorgänger fort, Berichte des Missbrauchsbeauftragten zu veröffentlichen und diese nicht als
Abschlussberichte, sondern als Zwischenberichte zu fassen. Im Zwischenbericht wird anders als in den ersten Berichten nicht über jede Einzelmeldung berichtet als exemplarisch vor allem zwei Fälle
herausgegriffen, die für die Aufarbeitung im Orden eine besondere Bedeutung haben.
Wir teilen grundsätzlich die Auffassung des Beauftragten, dass nicht jede einzelne neue Meldung aus dem bereits bekannten Täterumfeld in
jedem neuen Zwischenbericht detailliert ausgeführt werden muss.
Folgende besonderen Aspekte von Einzelmeldungen scheinen es uns aber wert, sie hier hervorzuheben:
Im Fall von Pater L. und dem Betroffenen D. B. möchten wir erinnern, dass der Orden sein damaliges Infragestellen der Glaubwürdigkeit des
Zeugen vor Gericht inzwischen bedauert und hier auch eine Entschuldigung seitens des Ordens, ja sogar eine weitere Entschädigungszahlung in Höhe der damaligen Prozesskosten des Opfers erfolgt
ist. Bemerkenswert in diesem Teil des öffentlich noch nicht wieder zugänglichen Berichtes: die individuelle Erinnerung eines Einzelnen widerlegt die sog. „false memory“ des Kollektivs (Orden).
Dies ungeschönt in einem Bericht zu dokumentieren, verdient jeden Respekt.
In einem weiteren Fall aus den ungezählten Fällen, die den bereits mehrfach erwähnten Serientäter Pater S. betreffen und deshalb im
Zwischenbericht nicht mehr aufgeführt sind, ist zusätzlich von der Seite der Betroffenen besonders erwähnenswert, dass der Zeuge D. M. nicht nur Zeuge für eine weitere Übergriffigkeit des Täters
Pater S. ist sondern auch Zeuge dafür, wie die damalige Internats- und Schulleitung (Pater Welzel) den Täter geschützt und das Opfer so offensichtlich vorsätzlich beschädigt hat. Mit diesem
Fall wird auch klar, dass Pater Welzel sehr viel früher als bisher vermutet von den sexuellen Übergriffen erfahren hat, nämlich bereits Herbst 1966 (!).
Hätte der damalige Schul- und Internatsdirektor dem Kind D. M. auch nur ein wenig Vertrauen geschenkt, wäre jahrelanges Leid für dieses Kind
und für viele nachfolgend missbrauchte andere Kinder und Jugendliche vermieden worden. Stattdessen hat der damalige Leiter des CoJoBo’s das Zeugnis des Opfers und seines Vaters über den Versuch
des Übergriffs mit Ohrfeigen und der Entlassung des Opfers von Schule und Internat beantwortet.
Erst Ende 1968 wurde Pater S., nachdem ein Schülervater den Schulleiter unter erheblichen Druck gesetzt hat, entlassen- und - man ahnt es
schon - an eine andere Jungen- Schule in Aachen versetzt. Dass der Täter hier eine Einzelwohnung beziehen konnte und nicht im dortigen Kloster angebunden war, setzt dem Ganzen die Krone auf. Und
wüsste man nicht sicher, dass es so gewesen war, man hielte diese Geschichte für die schlechte Erfindung eines Filmemachers.
Es wird mit diesem Fall - auch für uns Betroffene - erschütternd klar, dass sexuelle Gewalt selbst dann für das Opfer verheerend wirken kann,
wenn die Tat nur versucht wurde und selbst dann, wenn das Opfer sich massiv und körperlich erfolgreich wehrt. Auch die Tatsache, dass sein Vater dem Opfer glaubt und nicht dem Präfekten, scheint
eine erhebliche seelische Beschädigung nicht verhindert zu haben. Aus dem Bericht des Opfers: "... ich war von März 1963 bis November 1966 in den beiden Internaten Bous und Bonn. Das Kolleg
Heiligenborn besuchte ich bis zur Quarta, um dann die weitere schulische Ausbildung in Collegium Josephinum zu erfahren. Die Zeit im Kolleg Heiligenborn in Bous, das unter der Leitung von Pater
Niesen stand, habe ich soweit in guter Erinnerung, obwohl homosexuelle Erfahrungen unter den Schülern ausgetauscht wurden und diese auch von der Internatsleitung geduldet wurden. Gemeinsam
mit zwei Mitschülern, einer davon war A. D., wechselte ich 1965 ins Kollegium Josephinum in Bonn. Hier wurde ich der Mittelgruppe unter Pater S. zugeteilt. Und damit begann eine 18 monatige
Leidenszeit, die mich persönlich sehr geprägt hat. Pater S. war mir gegenüber nicht gerade "wohl gesonnen", denn jede Form meiner Freizeitgestaltung wurde mir untersagt. Klavierspielen und dabei
singen nahm er zum Anlass, mich vor versammelten Mitschülern bloß zu stellen, zu demütigen oder gar zu schlagen. Prügel habe ich des öfteren einstecken müssen. An einem Sonntag im
Oktober/November des Jahres 1966 hatten wir Ausgang und waren mit Sammelbüchsen in der Stadt Bonn unterwegs. Ich nahm allerdings auch die Möglichkeit eines Kirmesbesuchs wahr und verbrachte einen
Teil des Nachmittags auf dem Rummelplatz und fuhr "Autoscooter", dies auch mal in weiblicher Begleitung. Als ich abends wieder zurück ins Internat kam, wurde ich bereits von Pater S. erwartet,
der von meiner "Freizeitbeschäftigung" erfahren hatte. Auf seinem Zimmer begann eine "sexuelle Aufklärung", wie Pater S. dies bezeichnete. Er unterbreitete mir u. a. einen Versandhauskatalog mit
den Seiten der Damendessous; ferner eine Zeitschrift mit Bildern barbusiger Frauen. Er verließ dabei jedes Mal das Zimmer, damit ich mich intensiv mit den Bildern befassen könnte. Hatte er dann
wieder das Zimmer betreten, prüfte er meine körperliche Reaktion auf das Bilderstudium. Da diese Konfrontation aber nicht die "gewünschte Reaktion" zeigte, legte er mir ein Pornoheft der Marke
"Klimax" vor, das er seiner Nachttischschublade entnahm. Er forderte mich auf, dieses zu studieren. Ein solches Magazin hatte ich zuvor nie gesehen und dementsprechend war ich sehr aufgewühlt.
Pater S. konstatierte dies und öffnete sofort meine Hose und forderte mich zu sexuellen Handlungen auf. Dieses habe ich vehement abgelehnt und Pater S. zweimal geohrfeigt. Daraufhin verließ ich
das Zimmer und wurde kurze Zeit später zum Direktor, Pater Welzel, beordert. Dieser ohrfeigte mich und erklärte mich zur "Persona non grata" an dieser Schule. Meine Erklärungen wurden nicht
gehört geschweige denn akzeptiert. Pater S., der anwesend war, beschuldigte mich des brutalen Angriffs auf ihn. Pater Welzel informierte sofort meine Eltern und ich wurde der Schule
verwiesen..." Der Vater konnte den Schulleiter nicht davon überzeugen, dass sein Sohn die Wahrheit sprach.
03.02.2018 Interessanter Faden zu juristischen Problemen bei der Aufarbeitung von Missbrauch und Grenzverletzungen
Der UBSKM initiiert gesetzliche Regelungen zur Aufarbeitung (u.a. Missbrauchsbekämpfungsgesetz):
02.02.2018 SAVE THE DATE: 3. Öffentliches Hearing "Kirchen und ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs" am 27.06.2018
Merkt diesen wichtigen Termin vor. Je mehr von uns anwesend sind, desto größer die öffentliche Wahrnehmung und Würdigung. Wir brauchen jede Unterstützung, der UBSKM braucht sie auch.
Wir stellen erneut ein, sobald man sich dort anmelden kann.
01.02.2018 Helfen die Leitlinien der Katholischen Kirche zur Bestimmung dessen, was unter "sexuellem Missbrauch" zu verstehen ist. Ein aktueller Beitrag auch zur #metoo- Debatte.
Die Frage taucht immer wieder in Diskussionen auf: wann sprechen wir von sexuellem Missbrauch oder auch anders: Wann ist ein Vorfall ein Fall für den Missbrauchsbeauftragten bzw. wann greifen die
Leitlinien?
Überraschenderweise ist die Deutsche Katholische Bischofskonferenz hier recht bestimmt:
"Diese Leitlinien berücksichtigen die Bestimmungen sowohl des kirchlichen wie auch
des weltlichen Rechts. Der Begriff sexueller Missbrauch im Sinne dieser Leitlinien umfasst
strafbare sexualbezogene Handlungen. Die Leitlinien beziehen sich somit
• sowohl auf Handlungen nach dem 13. Abschnitt sowie weitere sexualbezogene
Straftaten des Strafgesetzbuchs (StGB)
• als auch auf solche nach can. 1395 § 2 CIC in Verbindung mit Art. 6 § 1 SST6
, nach can. 1387 CIC in Verbindung mit Art. 4 § 1 n.4 SST wie auch nach can. 1378 § 1 CIC
in Verbindung mit Art. 4 § 1 n.1 SST, soweit sie an Minderjährigen oder Personen
begangen werden, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist
(Art. 6 § 1 n.1 SST).
Zusätzlich finden sie unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls Anwendung bei Handlungen unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit, die im pastoralen oder erzieherischen sowie
im betreuenden oder pflegerischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen eine Grenzverletzung oder einen sonstigen sexuellen Übergriff darstellen.“
" Zu den Höhepunkten seiner Zeit gehört das 125-Jahr-Jubiläum des CoJoBo im Jahr 2005; zu den Tiefschlägen sicherlich die Auseinandersetzung mit den Missbrauchsfällen aus der
Internatsgeschichte, die lange vor seinem Dienstantritt stattgefunden haben. Alle Gäste waren sich einig: Mit Peter Billig geht am CoJoBo eine Ära zu Ende, eine ausgesprochen gute dazu. Neuer
Schulleiter ist Thomas Braunsfeld. BB"
Das Zitat macht noch einmal deutlich, wie unterschiedlich die Bewertung der Vergangenheit durch uns als Missbrauchsopfer und die Bewertung durch die späteren Verantwortungsträger der Schule
ausfällt: für uns sind die "Missbrauchsfälle" nicht allein Sache der "Internatsgeschichte" oder anders ausgedrückt der "Ordensgeschichte" sondern auch eine Sache der Schulgeschichte. Die
Verantwortung in Internat und Schule war damals in einer Hand. Und es bleibt festzuhalten: die Lehrer von damals bestimmten die Schule mindestens bis zur Jahrhundertwende, sie mussten die Augen
und Ohren schon mächtig verschließen, um nichts mit zu bekommen. Und genau das ist das, was sich ändern muss, wenn Prävention gelingen soll.
27.01.2018 Das Aloisiuskolleg entwickelt ein neues Leitbild- offensichtlich ohne die Expertise derer, die geschädigt worden sind
Wie aus einer Glanz- Präsentation des Ordens der Jesuiten hervorgeht, entwickelt das Aloisiuskolleg ein neues Leitbild für seine Schule (eine unserer zentralen Forderungen für das Collegium
Josephinum):
Du liest das und bist vordergründig beeindruckt und merkst dann doch sehr schnell, was zur wirklichen Veränderung des Systems fehlt: die grundsätzliche Expertise der Geschädigten. Es fehlt der
Wille, der Mut, die Einsicht, die Empathie? Es bleibt dann doch Enttäuschung und Zorn.
26.01.2018 Der Eckige Tisch erklärt den Dialog mit den Jesuiten für gescheitert
8 Jahre „Missbrauchsskandal“ – keine Konsequenzen im Orden:
ECKIGER TISCH BONN erklärt den Dialog mit den Jesuiten für gescheitert
BERLIN/BONN 26.01.2018. Ab 28. Januar 2010 berichteten die Medien vom Kindesmissbrauch an Jesuiten-Schulen und lösten damit den sog. „Missbrauchsskandal“ in Deutschland aus. Zum jetzigen achten
Jahrestag teilt der ECKIGER TISCH BONN, Verein Geschädigter des Aloisiuskollegs zu Bonn-Bad Godesberg e.V. (ETB), dem Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten K.d.ö.R. in einem Brief mit,
dass die Missbrauchsbetroffenen den bisherigen Dialog als gescheitert ansehen.
Die heutige Ordensleitung sei, so die Feststellung der Betroffenen, nicht willens oder in der Lage nach acht(!) Jahren „Missbrauchsskandal“ und sieben(!) zumeist externen Berichten und
Untersuchungen, die alle auch das Versagen der jeweiligen Leitungen der Institution aufzeigen, ihre Schlüsse und Konsequenzen für das System des Ordens mitzuteilen.
„Wir haben nicht das Gefühl, dass die Jesuiten begriffen haben, dass das historische Leitungsversagen im System des Ordens die eigentliche Ursache, also Teil der Missbräuche war und dass die
heutige Ordensleitung mit dem anhaltenden Verzicht auf interne Aufarbeitung keinen Beitrag zur Prävention leistet und somit kein Teil der Lösung ist,“ sagt Heiko Schnitzler, Vorsitzender des ETB,
„im Gegenteil!“
Ohne eine extern begleitete, wahrnehmbare Auseinandersetzung innerhalb des Systems, welches Missbrauchstäter durch Leitungsversagen hervorbrachte (und ggf. noch hervor bringt?), erhalte wirkliche
Prävention keinen Zugang in die Klostermauern des Jesuitenordens, so zu lesen im Brief der Betroffenen.
Die Betroffenen erwarteten zumindest Respekt für ihre Anliegen, der sich endlich auch in konkreten Maßnahmen (z.B. in der Personalpolitik) ausdrücken muss. Vordergründige Aktivitäten zum Thema,
die nur als Feigenblatt und zum einseitigen Benefit der Schulen oder der persönlichen Profilierung einzelner Jesuiten innerhalb und außerhalb des Ordens angelegt sind, ersetzten die Prävention
durch Analyse der Systemursachen nicht, wofür das Aloisiuskolleg noch im Jahr 2017 trauriges Beispiel war, so der ECKIGE TISCH BONN. Nach acht Jahren und sieben Berichten gäbe es keine
Entschuldigung für Aussitzen.
Den o.a. Brief sowie den gesamten Briefwechsel im Nachgang zum Offenen Brief mit Fragen zur (gesellschaftlichen) Verantwortung der Jesuiten nach Vorlage des Gutachtens zu Fällen sexualisierter
Gewalt im Bistum Hildesheim vom 08.11.2017 finden Sie unter www.eckiger-tisch-bonn.de.
Kontakt: info@eckiger-tisch-bonn.de
ECKIGER TISCH BONN Verein Geschädigter des Aloisiuskollegs zu Bonn-Bad Godesberg e.V.
c/o Hauptstädtische GmbH | Novalisstr. 8a | D-10115 Berlin
Kommentar: so bedauerlich es ist, wenn ein Dialog scheitert, so klar muss man wahrscheinlich auch irgendwann das Scheitern konstatieren. Der Wendepunkt ist erreicht, wenn die Energien zur
Veränderung aufgebraucht erscheinen und wenn die Veränderung selbst grundständig mehr die Kosmetik als die Systemfrage berührt. Wir selbst haben den Dialog mit dem Orden der Redemptoristen bisher
nicht aufgegeben, sehen uns aber in der Gefahr, am selben Punkt, nämlich der Prävention, zu scheitern: wirkliche Prävention in dieser Art besonderer Schule scheint uns nur möglich durch
Veränderung der systemischen Ursachen.
25.01.2018 Unser Verein vor der Aufarbeitungskomission zum Thema: Verantwortung von Institutionen (Eigenbericht, ergänzende Hinweise)
Das Gespräch mit der Aufarbeitungskommission,mit Herrn Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs und mit einer Vertreterin des Betroffenenrats des UBSKM fand in
einer offenen, wertschätzenden und freundlichen Atmosphäre statt. Bei der Kommission stießen unsere offensichtlich einmaligen Erfahrungen , die dazu beigetragen haben, den
Aufarbeitungsprozess mit dem Orden der Redemptoristen entgegen anderen Opfergruppen über die ganze Zeit von 2010 bis heute aufrecht zu erhalten, auf ein großes Interesse. Selbstverständlich
wurden auch die Klippen deutlich benannt, an denen der Prozess hätte beendet sein können.
Als Gelingensbedingungen haben wir dort vor allem folgende Punkte betont:
Fokussierung auf das, was uns widerfahren ist und Empathie mit uns selbst
Fokussierung auf die Gelegenheitsstrukturen, die Missbrauch und Gewalt in dieser Form ermöglicht haben
Wahrnehmung und Würdigung der kleinsten Fortschritte im gemeinsamen Prozess
Weitermachen auch dann, als ein Weitermachen unmöglich erschien
Empathie der Opfer in die „Gegenseite“ des Ordens, ihre Sprache, ihr Denken, auch ihre Gefühle (Wie denken Ordensleute überhaupt? Was sind ihre Gefühle, wenn sie vom Missbrauch durch
Mitbrüder (Geschwister) erfahren? Was macht es mit dem Gegenüber, wenn der Vorwurf aufkommt, Verbrechen gedeckt zu haben?
Umfeldbedingungen, die durch den Orden vorgehalten wurden (Treffen am neutralen Ort, großzügige Übernahme von Reise- Übernachtungs- und Moderationskosten, Regelmäßigkeit der Treffen)
Ein Missbrauchsbeauftragter, der als Vorsitzender Richter am Amtsgericht Leverkusen, hohe Autorität und Glaubwürdigkeit ausstrahlte
Beide Missbrauchsbeauftragte, die länger mit uns zu tun hatten, ergriffen deutlich die Partei der Opfer und signalisierten: ich glaube euch. Sie demonstrierten zugleich Unabhängigkeit vom
Orden und ebenso von uns.
Langjährige Erfahrung beider Missbrauchsbeauftragten in der Aufarbeitung von Verbrechen und der Zeugenvernehmung
Klare Sprache der Beauftragten („Verbrechen“)
Moderation aller Treffen durch professionelle Moderatorin
Besonders wichtig erscheint im Rückblick die Tatsache, dass wir uns selbst ausschließlich als Vertreter unserer selbst verstanden haben und für uns selbst etwas erreichen wollten.
Zum Aufarbeitungsprozess gehört auch die schmerzende Wahrheit: in der Frage einer möglichen Entschädigung sind wir keinen Schritt weiter gekommen. Wichtig und in mancher Hinsicht (Prävention
heute) auch bedenklich: der Orden übernahm die Verantwortung für alles, was geschehen war und schob damit die von ihm betriebene Schule - immer bemüht, sie zu schonen - weitgehend aus ihrer
Mitverantwortung. Einen Kontakt des Vereins mit der Schule gab es ausschließlich mit der Schulleitung und einem sehr kleinen Kreis von Lehrern.
Leider vermissen wir bis heute ein über die Veröffentlichung der Zwischenberichte hinaus gehendes Sichtbarmachen der langjährigen Auseinandersetzung des Ordens mit Betroffenen in Form von
Bekanntgaben der Treffen auf seiner Homepage, in Form gar einer inhaltlichen Zusammenfassung der Ergebnisse aus Sicht des Ordens. Ein wirkliches Bekenntnis zur Vergangenheit würde sich auch im
Archiv der Schulhomepage des CoJoBo anders niederschlagen als dies bislang der Fall ist.
Die Aufgabe der Aufarbeitungskomission wurde von ihrer Vorsitzenden, Frau Prof. Sabine Andresen, sehr prägnant zusammengefasst:
„Wir brauchen eine klare Haltung zur Vergangenheit.
Egal, wo wir hingucken.“
24.01 2018 Kindesmissbrauch und die Verantwortung von Institutionen- Unser Verein vor der Aufarbeitungskommission in Berlin
Sexueller Kindesmissbrauch und die Verantwortung von Institutionen
Berlin, 16./ 17. Januar 2018. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs sprach im Rahmen ihrer fünften Werkstattgespräche mit Expertinnen und
Experten zum Thema Missbrauch in Institutionen und deren Verantwortung für Aufklärung und Aufarbeitung. Dabei sollten besonders die folgenden Fragestellungen besprochen werden: Wie
können Institutionen, aber auch Politik und Gesellschaft ihre Verantwortung wahrnehmen und was ist damit verbunden? Werden die Aufarbeitung der Vergangenheit, das Zuhören und das
Dokumentieren von Erfahrungswissen als Verantwortungsübernahme wahrgenommen? Und wie können Institutionen unterstützt werden, einen guten Weg in die Aufarbeitung zu finden?
Austausch mit der Klasnic-Kommission aus Österreich
Die „Unabhängige Opferschutzanwaltschaft – Initiative gegen Missbrauch und Gewalt“ unter dem Vorsitz von Waltraud Klasnic berichtete über ihre Erfahrungen im Umgang mit Betroffenen von
Missbrauch und Gewalt in der katholischen Kirche in Österreich. Die Kommission arbeitet ehrenamtlich, unabhängig und hat bisher rund 2.800 Fälle aus dem kirchlichen Kontext bearbeitet.
Sie gewährt Betroffenen eine finanzielle Hilfe in Form von Geldleistungen zwischen 5.000 und 25.000 Euro – in besonders schweren Einzelfällen auch darüber hinaus – und
Therapiestunden sowie eine formale Anerkennung des Unrechts.
„Die Gespräche mit den Betroffenen waren und sind sehr persönlich – die Kommission beschäftigt sich intensiv mit jedem Fall. Nach einer sensiblen Plausibilitätsprüfung gilt: in dubio pro
Betroffene“, erklärte Waltraud Klasnic.
Erste Ergebnisse der Arbeit der Kommission sind das „Heimopferrentengesetz“ und ein offizieller Staatsakt im Parlament in Wien im Jahr 2016, bei dem die Politik und die katholische Kirche
ein symbolisches Zeichen zur Anerkennung des erlittenen Leids gesetzt haben. Die Arbeit der Kommission habe aber auch zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit beigetragen und es sei ein
gesellschaftliches Bewusstsein für die Thematik gewachsen.
Der Runde Tisch für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen in der Schweiz
Die Schweiz hat auf Grundlage einer Gedenkveranstaltung für Betroffene im Jahr 2013 den „Runden Tisch für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen“ geschaffen. Dieses Gremium hatte die
Aufgabe, Maßnahmenvorschläge für die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der schweizerischen Sozialgeschichte zu erarbeiten. Daraufhin wurde im September 2016 ein Bundesgesetz über die
Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmaßnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 erlassen. Das Gesetz beinhaltet einen Solidaritätsbeitrag in Höhe von 25.000 Franken pro Betroffene
oder Betroffener, eine Unterstützung der Opferhilfestellen und der Archive sowie finanzielle Beiträge an Selbsthilfeprojekte Betroffener. Zusätzlich wurde eine umfangreiche
wissenschaftliche Aufarbeitung auf den Weg gebracht. Sie findet vor allem im Rahmen einer Unabhängigen Expertenkommission sowie eines Nationalen Forschungsprogramms statt. Dafür stehen
insgesamt rund 28 Mio Franken zur Verfügung. Mit dem Erlass des Gesetzes ist der politische Aufarbeitungsprozess im Wesentlichen abgeschlossen worden. Nun liege es – laut dem
Vorsitzenden des Runden Tisches Luzius Mader – in der Hand der Behörden, aus der Forschung die richtigen Schlüsse zu ziehen:
„Der Bund und die Kantone müssen geeignete Maßnahmen zur Umsetzung der Forschungsergebnisse ergreifen. Es handelt sich um verschiedene Dimensionen der Aufarbeitung. Die Schweiz ist ein
kleines Land und so ist es gut möglich, dass jeder jemanden kennt, der betroffen ist. Schon aus diesem Grund ist die Aufarbeitung bei uns fest verankert.“
Der Solidaritätsbeitrag ist ein sehr wichtiges Element der individuellen Aufarbeitung. Bis Ende März 2018 können Betroffene Anträge an den Sozialfonds stellen. Bis dahin rechnet man mit
etwa 6.000 Gesuchen.
Betroffene berichteten über den Missbrauch durch Ordensangehörige der Redemptoristen
Sylvia Witte, Vorsitzende des Vereins „Missbrauchsopfer Collegium Josephinum Bonn und Redemptoristen e.V.“ (MoJoRed e. V.) und Winfried Ponsens, dessen Geschäftsführer, berichteten über
ihre Erfahrungen mit dem Orden der Redemptoristen. Winfried Ponsens kam in den 60er-Jahren in das Internat Collegium Josephinum in Bonn und erlebte dort ein geschlossenes System aus Härte
und Gewalt. Jahrelang aber war die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte nicht möglich:
„Ich war erfolgreich im Vergessen, gleichzeitig aber auch im Überleben. Man wollte ja raus in die Welt und da habe ich das ganz gut verdrängen können.“
Im März 2010 wandten sich Winfried Ponsens, Sylvia Witte und weitere Betroffene an den Orden und erreichten einen Runden Tisch sowie die Zahlung von 5.000 Euro pro Person. Seitdem treffen
sich die Betroffenen des Vereins zwei Mal jährlich zu einem Austausch. Die Bedingungen, unter denen die Aufarbeitung stattfinden kann, beschrieben Sylvia Witte und Winfried Ponsens als
„gut und angemessen“ und hoben unter anderem die kontinuierliche Übernahme der Reisekosten hervor. Jedoch befürchten beide, dass das Anliegen und die Botschaft, die sie formulieren, noch
immer nicht wirklich von den Ordensmitgliedern verstanden werden:
„Es gibt bei den meisten Patres hinsichtlich der Sünde immer noch das Denkmuster, sie seien nicht den Betroffenen verpflichtet, sondern nur dem Herrgott“, stellte Sylvia
Witte fest.
Zum Umgang der evangelischen Nordkirche mit Missbrauchsvorwürfen
Die Rechtsanwältinnen Petra Ladenburger und Martina Lörsch berichteten über die juristische Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Nordkirche, die in der
Vergangenheit oftmals nur über interne Disziplinarverfahren behandelt wurden. In Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal 2010 forderten auch hier die Betroffenen eine transparente
Aufarbeitung. Die beiden Rechtsanwältinnen untersuchten 16 Disziplinarverfahren gegen 14 Pastoren, führten Interviews mit Betroffenen und einem Beschuldigten und werteten weitere
Unterlagen aus. Daneben gab es eine sozialwissenschaftliche Untersuchung. Aus diesen beiden unterschiedlichen Blickwinkeln wurden Empfehlungen entwickelt und Auffälligkeiten im
Zusammenhang mit den Fällen benannt.
„Eine Haltung der evangelischen Kirche allein reicht nicht aus, wenn keine Professionalität im Umgang mit dem Thema Missbrauch da ist. Das gilt auch für Personen, die mit Zeugen und
Betroffenen sprechen. Diese haben oft keine Schulung im Umgang mit traumatisierten Menschen. Hier haben wir empfohlen, dass zukünftig professionelles Personal eingesetzt
wird“, so
Rechtsanwältin Petra Ladenburger.
Eine weitere wichtige Empfehlung war die Überarbeitung des Disziplinarrechts. So forderten die Rechtsanwältinnen zum einen die Verjährungsfristen innerhalb des Disziplinarverfahrens
aufzuheben, eine Meldepflicht für sexuelle Übergriffe in der Seelsorge einzuführen und das unbegrenzte Zeugnisverweigerungsrecht für Pastoren und Pastorinnen zu ändern. Laut Martina
Lörsch sei letzteres „extrem reformbedürftig“, da Pastoren und Pastorinnen auch in Strafverfahren trotz Schweige-Entbindung durch Betroffene das Recht hätten, Inhalte aus Gesprächen nicht
weiterzugeben.
Die Empfehlungen aus dem Abschlussbericht wurden bis heute allerdings nicht überall umgesetzt. Es gäbe laut den Rechtsanwältinnen Ladenburger und Lörsch aber Möglichkeiten, die Regelungen
in den Gemeinden durchzusetzen. Die Frage sei, wie groß der Wille dazu sei, gegebenenfalls auch Druck auf die Gemeinden auszuüben. So könnte man die Forderung nach einem Schutzkonzept in
jeder Gemeinde an die Finanzierung knüpfen. „Wird
die Forderung dann nicht umgesetzt, werden Gelder gestrichen. Das ist kein Hexenwerk“, so Martina Lörsch. Die Präventionsarbeit sei wichtiger denn je,
denn„heute
kann keine Institution ernsthaft behaupten, dass es so etwas bei ihnen nicht gegeben hat“, resümierte Petra Ladenburger.
DBK-Projekt „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“
Zum Abschluss der Werkstattgespräche stellte Prof. Dr. Harald Dreßing den aktuellen Stand des Projekts der Deutschen Bischofskonferenz zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen vor. Das
Projekt wird von mehreren Verbundpartnern bearbeitet und teilt sich in sechs Teilprojekte. Prof. Dreßing berichtete von umfassendem Material und verschiedenartiger Aktenführung in den
Diözesen. Die Projekt-Mitglieder sehen das Projekt vor allem aus der Perspektive der Wissenschaft:
„Wir verstehen unsere Arbeit nicht als Aufarbeitung, sondern als Forschung. Was die Institutionen dann damit machen, liegt in deren Verantwortung. Aber natürlich kann das ein Schritt in
Richtung Aufarbeitung sein.“
Die sechs Teilprojekte arbeiten interdisziplinär, d.h. sie beziehen nicht nur die Akten mit ein, die in den Diözesen vorhanden sind, sondern werten auch Strafrechtsakten aus , führen
qualitative Interviews mit Betroffenen, Beschuldigten und Zeitzeugen, werten die Präventionsarbeit aus und vergleichen die Ergebnisse mit den Anträgen auf Anerkennung des Leids. Dabei
werden auch Anhaltspunkte für eine mögliche Vertuschung oder Verschleierung analysiert. Das Projekt wird im September 2018 einen Abschlussbericht veröffentlichen und darin auch
Empfehlungen aussprechen. „Die
Verantwortung muss aber die Institution übernehmen und […] in konkreten Änderungen sichtbar machen.“, so Dreßing.
22.01.2018 Orden zieht den Bericht des Missbrauchsbeauftragten aus juristischen Gründen zurück
Der Orden hat den 4. Zwischenbericht seines "Externen Unabhängigen Beauftragten zur Untersuchung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener" (zur Veröffentlichung
freigegeben am 12.01.) aus juristischen Gründen zurückgezogen.Wir erwarten die Veröffentlichung eines korrigierten Berichts in Kürze.
10.01.2018 Einladung unseres Vereins MoJoRed zu einer Anhörung durch die Aufarbeitungskommission bei Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung Rörig
Für den 17.01.2018 ist unser Verein in den Personen Sylvia Witte und Winfried Ponsens als Vorstand eingeladen, vor der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
über ihre besonderen Aufarbeitungserfahrungen zu berichten. Im Zentrum der Arbeit der Kommission stehen bundesweite vertrauliche Anhörungen von Betroffenen und Zeitzeugen. Gleichzeitig werden
konkrete Erfahrungen von Experten in nicht-öffentlichen Werkstattgesprächen zu bestimmten Themen miteinbezogen. In der fünften Runde der Werkstattgespräche geht es um das Thema
Verantwortung. Wie können Institutionen, aber auch Politik und Gesellschaft ihre Verantwortung wahrnehmen und was ist damit verbunden? Werden die Aufarbeitung der Vergangenheit, das Zuhören und
das Dokumentieren von Erfahrungswissen als Verantwortungsübernahme wahrgenommen? Und wie können Institutionen unterstützt werden, einen guten Weg in die Aufarbeitung zu finden?
Gerne waren wir sofort bereit, diese und weitere Fragen mit der Kommission erörtern, haben wir doch mit der Aufarbeitung mit dem Redemptoristenorden unseres Wissens einzigartige Erfahrungen
gemacht: so hält die Aufarbeitung noch heute nach 7 Jahren an und wird vollständig vom Orden finanziert (z. B. Übernahme der halbjährlichen Reise- und Tagungskosten der weit verstreut lebenden
Betroffenen), die öffentlich zugänglichen Berichte der Missbrauchsbeauftragten des Ordens werden nicht als Abschlussberichte sondern als Zwischenberichte bis heute fortgeführt. Der vierte Bericht
steht kurz vor der Veröffentlichung.
Wir freuen uns über diese Einladung und sehen diese Einladung auch als Bestätigung unserer bisherigen Arbeit im Kreis der Betroffenen, im Verein der Missbrauchsopfer des Ordens und als
Anerkennung seiner bis heute weitergeführten Homepage. Spannend wird diese Befragung bzw. das gemeinsame Gespräch allemal.
Anfang November 2017 war Frau Witte bereits zu einer Gruppendiskussion im Rahmen eines Forschungsprojektes der Aufarbeitungskommission in Berlin zum Thema "Erwartungen Betroffener
an den Umgang mit Tätern und Täterinnen im Rahmen von persönlicher Bewältigung und gesellschaftlicher Aufarbeitung" eingeladen.
08.01.2018 Der ehemalige Regensburger Domspatz Magnus Meier, Leidensgenosse, in einem bewegenden Artikel der TAZ vom Wochenende "Es geht nicht weg"
Unter der Überschrift "Aus dem Leben gekippt" berichtet die TAZ als Titelgeschichte über die Geschichte des Missbrauchsopfers Magnus Meier von den Regensburger Domspatzen und von der Geschichte
des Missbrauchsopfers Koljar Wlazik von der Elly- Heuss- Knapp- Schule in Darmstadt. Wir finden, es werden hier zwei Wahrheiten beleuchtet, die in der Öffentlichkeit gerne übersehen werden: die
eine ist "Es geht nicht weg" und die andere "Aus dem Leben gekippt". Warum sexuelle Gewalt einen Menschen aus dem Leben kippt (wohin kippt es einen wohl, wenn man aus dem Leben gekippt
wird?), dieser Frage versuchen wir ja auf der Homepage immer wieder nachzuspüren, zuletzt im Abschnitt über die Heimatlosigkeit als Grundgefühl nach erlittener sexueller Gewalt. Und auch die
Frage, ob es denn nicht langsam mal genug sei und ob man sich denn nicht nun endlich, da man doch geredet hätte, auch vom Trauma befreit habe, gerade dieser Frage, der auch die Missbrauchsopfer
selber allzu gerne ausweichen, wir versuchen immer wieder, uns ihr zu stellen (so im Homepage- Abschnitt "Sieh mich sterben" und besonders im Beitrag "Schweigen und Erinnern. Gegen das
Kleinreden" von Winfried Ponsens im Buch "Unheiliger Berg" von Hagenberg- Miliu).
Ein hohes Verdienst der TAZ und der Redakteurin Nina Apin, das zentrale gesellschaftliche Thema der Gewalt immer wieder neu anzugehen, anders zu beleuchten und wachzuhalten- meinen wir.
Hier jetzt der offizielle Link, nachdem der Text allen Lesern auch online zur Verfügung steht:
27.12.2017 Sexuelle Gewalt als Alltagserfahrung. Blick über den Zaun
Der Spiegel wirft einen aufschlussreichen Blick über den Zaun: auf sexuelle Gewalt als durchschnittlich bestimmende Alltagserfahrung, einen Blick über Europa hinaus auf eine
gesellschaftliche Bewusstseinsform, in der sexuelle Gewalt offensichtlich fast nur auf der Opferseite auch als solche wahrgenommen wird und ansonsten als "normal" definiert ist. Der Blick über
den Zaun lässt klarer sehen, wie sehr sexuelle Gewalt weniger ein Problem der Sexualität allgemein ist als ein Problem von Macht und Machtmissbrauch. Dass Machtmissbrauch nicht das Problem einer
bestimmten Religion (hier Islam) ist, ist dann eine Erkenntnis, die im Artikel quasi nebenbei auch noch abfällt.
05.10.2017 Erzbistum plant ein neues Schulzentrum und macht bemerkenswerte Vorgaben
Das Erzbistum plant ein neues Schulzentrum. Das Konzept steht bereits. Das allein ist schon bemerkenswert und nicht alltäglich: Konzept vor Schulgebäude! Und das Konzept hat es in sich. Es
beinhaltet vor allem eine Integration von Sozialarbeit und Schularbeit an einem Ort. Es versucht sich an skandinavischen Vorbildern und beinhaltet eine wirkliche Idee von Gesamtschule: eine
Schule für Alle. Eine Schule für die Gemeinde oder Stadt.
05.10.2017 Missbrauchsbeauftragter des Bundes Rörig stellt Programm zur Bekämpfung sexuellen Kindesmissbrauchs vor
Hier die Pressemitteilung:
Pressemitteilung
„Jetzt handeln!“ – Missbrauchsbeauftragter Rörig stellt „Programm zur konsequenten Bekämpfung von sexueller Gewalt
gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen“ für die 19. Legislaturperiode vor
Rörig appellierte heute an die künftigen Koalitionspartner, jetzt ein neues Kapitel im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch aufzuschlagen und sich deutlich hinter den Schutz der Kinder und
Jugendlichen vor sexueller Gewalt zu stellen. Er fordert den Deutschen Bundestag auf, noch im Jahr 2018 ein „Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz“ zu verabschieden.
Berlin, 05.10.2017.Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des
sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat heute in Berlin sein „Programm zur konsequenten Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen“ für die
19. Legislaturperiode vorgestellt.
Rörig: „Sexuelle Gewalt ist ein permanentes und besonders tabuisiertes Problem unserer Gesellschaft. Noch immer wird viel zu oft weggeschaut
und geschwiegen, aus Angst, Scham und Unsicherheit. Wir verzeichnen etwa 12.000 Straf- und Ermittlungsverfahren allein wegen sexuellen Kindesmissbrauchs jährlich. Das ist mindestens so
erschreckend wie die Gewissheit, dass das Dunkelfeld um ein Vielfaches größer ist. Viele Menschen könnten helfen, wissen aber nicht, was sie bei Vermutung oder Verdacht tun können. Die künftigen
Koalitionspartner können jetzt die richtigen Weichen stellen. Wenn der politische Wille vorhanden ist, können wir große Fortschritte im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch erreichen. Die Zeit
befristeter Minimallösungen im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen muss vorbei sein.“
Inhalte des Programms (Auswahl):
Das Programm beinhaltet Eckpunkte zu den Themenfeldern Schutz, Hilfen, Verfahren, Forschung/Lehre, Aufarbeitung, Aufklärung und
Sensibilisierung sowie zu neuen gesetzlichen Regelungen. Es zeigt konkrete Maßnahmen auf, wie die konsequente Bekämpfung von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen künftig besser gelingen
kann:
Modellprogramme für Einrichtungen:Die Präventionsinitiativen „Kein Raum
für Missbrauch“ und „Schule gegen sexuelle Gewalt“ sollen in Modellprogramme des Bundes eingebunden werden. Zur Unterstützung der Entwicklung von Schutzkonzepten in Einrichtungen sollen
bundesweit 10 % aller Schulen (3.000 Schulen) eine Anschubfinanzierung von je 5.000 EUR erhalten. Dies soll auch für 2.000 Kitas und weitere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie 1.000
Kliniken und Praxen gelten. Zudem appelliert der Unabhängige Beauftragte an Politik und Fachpraxis, zügig zu klären, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Einführung und Anwendung von
Schutzkonzepten nicht ausgeweitet werden müssen.
Agenda „Digitaler Kinder- und Jugendschutz“:Die fortschreitende
Digitalisierung vermehrt die Gefahren sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Netz. Kinder- und Jugendschutz muss dringend auch auf den digitalen Raum übertragen werden: Mindestens 0,5 %
des für den Digitalpakt angedachten Budgets sollen für eine Agenda „Digitaler Kinder- und Jugendschutz“ zur Verfügung gestellt werden. Auch die großen Internet-Unternehmen müssen sich stärker für
den Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum engagieren.
Bundesweite Aufklärungskampagne:Alle Bürgerinnen und Bürger sollten
bestehende Hilfeangebote kennen und wissen, was sie bei Vermutung oder Verdacht tun können. Deswegen sollte eine auf mehrere Jahre angelegte Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne spätestens
2019 starten.
Reform des OEG:Der Unabhängige Beauftragte appelliert an die künftige
Bundesregierung, die Reform des Opferentschädigungsrechts (OEG) gleich zu Beginn der 19. Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Sollten mit der Reform des OEG die hohen Hürden für Betroffene
nicht gesenkt werden (zum Beispiel die Anforderungen an den Nachweis der Tat oder an den Nachweis der Kausalität zwischen sexueller Gewalt in der Kindheit und den heutigen gesundheitlichen
Belastungen) müssen dringend ergänzende Regelungen geschaffen werden. In Betracht käme eine gesetzlich zu errichtende Stiftung, die Betroffenen aus allen Missbrauchskontexten die notwendigen
Hilfen schnell und unbürokratisch gewährt, unabhängig von Ort und Zeit der Tat.
„Forschungsbündnis gegen Kindesmissbrauch“:Mit den Förderlinien des
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sind wichtige Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht worden. Es fehlt jedoch ein stabiler und interdisziplinärer Dialog, der jetzt mit Partnern
aus Wissenschaft, Fachpraxis, Politik und mit Betroffenen aufgebaut werden sollte.
„Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz“:Der Unabhängige Beauftragte fordert
ein Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz zur Stärkung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt. Durch dieses Gesetz sollte auch das Amt einer/eines Unabhängigen Beauftragten
verstetigt und gestärkt werden. Aufgabenübertragung, Unabhängigkeit und die Bereitstellung ausreichender Ressourcen brauchen dringend eine gesetzliche Grundlage. Vor Ablauf von zehn Jahren sollte
aber geprüft werden, ob eine Weiterführung notwendig ist, je nach Entwicklung des Ausmaßes sexueller Gewalt in den kommenden Jahren. Zudem soll der im Jahr 2015 berufene Betroffenenrat eine
gesetzliche Absicherung für seine breit gefächerte Mitwirkung erhalten. Zudem benötigt die seit dem Jahr 2016 erfolgreich arbeitende Unabhängige Aufarbeitungskommission eine gesetzliche Grundlage
zur stabilen Fortführung ihrer überaus wichtigen Arbeit. Ihre Arbeitsperiode sollte um mindestens fünf Jahre verlängert werden. Um verbindliche Strukturen für eine kontinuierliche Kooperation von
Bund, Ländern und Kommunen, Zivilgesellschaft, Fachpraxis, Betroffenenrat, Wissenschaft und Ausbildung zu schaffen, schlägt Rörig die gesetzliche Verankerung einer „Ständigen Konferenz“ zur
Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch vor.
Rörig stellte heute zudem neue Ergebnisse seines „Monitoring zum Stand der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in
Deutschland 2015–2018“ vor. Der neue Teilbericht 3 ist ein Datenreport zu Schutzkonzepten in Kitas, Heimen/weiteren Wohnformen und dem stationären und ambulanten Gesundheitsbereich. Der
Bericht macht deutlich: Schutz vor sexueller Gewalt kommt als Thema in den Einrichtungen an. Es gibt viele Einzelmaßnahmen, jedoch fehlt es nach wie vor an umfassenden Präventions- und
Interventionskonzepten und an einem systematischen Herangehen jenseits konkreter Verdachtsfälle. Der Abschlussbericht des Monitorings wird Ende 2018 erscheinen. Er ist eine integrative Analyse
aller Befragungsergebnisse aus den Bereichen Erziehung und Bildung, Gesundheit, Freizeit und Religiöses Leben (Daten zum Teilbericht 3 unterwww.datenreport-monitoring.de).
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet jährlich über 12.000 Ermittlungs- und
Strafverfahren allein nur bei sexuellem Kindesmissbrauch. Das Dunkelfeld ist um ein Vielfaches größer. Neue Studien weisen darauf hin, dass etwa jede/r Siebte bis Achte in Deutschland sexuelle
Gewalt in seiner Kindheit oder Jugend erlitten hat. Statistisch sind in jeder Schulklasse etwa ein bis zwei Kinder von sexueller Gewalt betroffen.
Ältere Beiträge unter Aktuelles finden Sie unter "Historie Aktuelles 2"